Die Reisen des Paulus
keiner ans Kreuz zu schlagen, denn er throne über den Wolken, dem Schicksal alles Sterblichen entrückt. So stand es also mit dem jüdischen Gott und Heiland – weggekarrt wie viele andere im gesamten Reich, weggekarrt wie ein Klumpen toten Fleisches! Es war ein propagandistischer Triumph, ein Triumph, bei dem einem Juden das Herz brechen konnte vor Scham.
Und jetzt machten die ersten Gerüchte die Runde – Geschichten, die seine Anhänger verbreiteten: sie hätten ihn nach dem Ableben gesehen, er sei gar nicht gestorben, er habe den Tod überwunden. Unglaublich! Dennoch – wenn seine Behauptung, er sei der Messias, überhaupt etwas be-sagen sollte, mußten die Geschichten einfach stimmen. Die Juden glaubten als fast einziges Volk der Antike an die Auferstehung des Fleisches. Zwar versprachen auch einige My-89
sterienreligionen des Ostens ihren Anhängern ein Leben jenseits des Grabes, aber ein völlig anderes Leben. Alle einschlägigen Doktrinen lehrten, der Leib des Toten werde ver-gehen, der Geist werde triumphieren und in den Genuß der Freuden und Wohltaten einer verwandelten Welt kommen.
Manche Philosophen sahen den Geist als Funken, der sich mit der Schöpfersonne oder mit dem großen Urfeuer, das alle Dinge gemacht hat, vereinigte – was der buddhistischen Vorstellung ähnelte, der Vorstellung vom »Tautropfen, der ins Meer rinnt«. Griechen, die noch in homerischen Begriffen dachten, wußten, daß sie sich in einer trüben Welt zwischen Asphodelen wiedertreffen würden – als Schatten nur, die den Tagen in der sonnenhellen Welt droben nachtrauer-ten, als sie noch Meer und Berge und Wildblumen gesehen und Wein und Wollust genossen hatten.
Spuren der Idee von der Auferstehung des Fleisches, die später ein spezifischer Bestandteil der christlichen Lehre wurde, findet man in der persischen Zoroaster-Religion und im späteren Judentum. Bestritten wurde dies immer wieder von den Rivalen der Pharisäer, den Sadduzäern. In den älteren hebräischen Schriften steht nichts von der Auferstehung des Fleisches, obwohl behauptet wird, bei Jesaja und besonders bei Hesekiel (im Kapitel 37 über die Wie-derbelebung der verdorrten Gebeine) werde darauf ange-spielt. Im letzten Kapitel des Buches Daniel heißt es unmiß-
verständlich: »Und viele, die unter der Erde schlafen liegen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die andern zu ewiger Schmach und Schande.« Im 1. Jahrhundert hatte sich diese Doktrin bei den Pharisäern allgemein durchge-setzt, möglicherweise auch bei einem Großteil des jüdischen 90
Volkes. Man könnte also vermuten, daß Paulus an die Auferstehung des Fleisches glaubte. Allerdings streiten sich die Gelehrten noch heute darüber, wie dieser Glaube genau beschaffen war. Für die gebildeten Griechen – etwa die Philosophen, denen Paulus später in Athen begegnen sollte –
hatte die Vorstellung etwas Lächerliches. Ein Scherz, nicht mehr. Die Auferstehung des Fleisches paßte zu der Torheit von Fanatikern wie diesem einen hier, der aus dem Osten kam und über die wahre Natur des Lebens und des Universums nicht unterrichtet war. Wie konnte man die unzähligen alten Gebeine, mit denen allein schon Griechenland übersät war, wieder zusammensetzen? Und wenn man es tat, zu welchem Ende? Die Menschenmassen hätten ja nicht einmal Platz zum Stehen!
Über diesen Gegenstand muß bereits bei den Juden unendlich viel spekuliert worden sein: welches Alter des ver-flossenen Lebens würde der Auferstandene haben, würden Kinder immer Kinder und Großväter immer Großväter
bleiben? Scholastische Gedankengänge wie die berühm-te Frage, wieviel Engel auf einer Nadelspitze Platz fänden, waren geradezu harmlos, verglichen mit den intellektuellen Geduldsspielen, die viele Juden betrieben. Die alexandrini-sche Schule hatte mit der ihr eigenen Subtilität die schlich-teren Vorstellungen der Vergangenheit verfeinert und behauptete, am Tage des Jüngsten Gerichts werde der Körper neu und verwandelt auferstehen. Paulus scheint ähnlicher Meinung gewesen zu sein. Im 1. Korintherbrief schreibt er: »Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib.« Und dies begründet er folgendermaßen: »Gibt es einen natürlichen Leib, so gibt es auch ei-91
nen geistlichen Leib.« Es nimmt nicht wunder, daß solche Annahmen die Philosophen und Intellektuellen von Athen zum Lachen reizten, daß sie Paulus heruntermachten und ihn schließlich mit seinen absurden Ansichten – über
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