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Die Reisen des Paulus

Die Reisen des Paulus

Titel: Die Reisen des Paulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernle Bradford
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    heren Grade. Das bedeutete jedoch nicht Rückzug aus der Welt, sondern Bewältigung der Lebensprobleme auf spartanische, ja puritanische Weise. Der heilige Hieronymus er-wähnt in einem seiner Briefe, daß der Mithraismus wie das Christentum einen abgestuften, nach Ranghöhe differen-zierten Zölibat kenne und den Gläubigen als Belohnung für ein reines und edles Leben die Gemeinschaft mit der Gottheit verspreche. Manche Vorstellungen des Mithraismus korrespondieren mit dem Christentum, etwa der Grad des Miles, der recht genau dem »Soldaten Christi« entspricht.
    Der Mithraismus wurde durch einige von den späteren Kaisern gefördert, die erkannt hatten, daß die kühnen Tugenden dieses Kults zur Erhaltung des Reichs nützlich und nötig waren. Die Härte und Schwierigkeit der Initiationsri-ten, dazu die stoischen Qualitäten, die der Mithraismus seinen Anhängern abverlangte, ließen ihn zur Soldatenreligion werden. Aber dies zählte auch zu seinen Schwächen. Denn obwohl er einige wesentliche Züge der Universalreligionen aufwies und obwohl er ein tugendhaftes Leben vorschrieb 147
    und dafür die Hoffnung auf Unsterblichkeit bot, hielt er die Frauen fern. Weitere schwache Punkte bestanden darin, daß er sich auf Kompromisse mit dem Polytheismus einließ und daß seine zentrale Figur eine mythische und keine historische Gestalt war. Im Christentum konnten auch Frauen Einfluß nehmen. Das beginnt bei Maria und setzt sich über die Evangelien bis in die Ur- und Frühkirche fort. Auch leitet sich das Christentum von einer historischen Gestalt ab.
    Und zudem ließ es sich auf keinerlei Kompromisse mit dem Heidentum ein – eine wichtige Komponente seiner Kraft.
    In diesem Punkt lieferte das Judentum, das so entschieden den Umgang mit Götzenbildern und allem heidnischen
    Blendwerk ablehnte, eine unerschütterliche Basis. Gewiß ist Paulus überall in Kleinasien auf Anhänger des Mithras gestoßen. Der Mithraskult war hier besonders stark verbreitet; eines seiner wichtigsten Zentren befand sich im Nordosten, in Trapezus (Trapezunt). Viele von den Soldaten, die in den Provinzstädten Polizeifunktionen wahrnahmen, dürften Mithrasanhänger gewesen sein, und die Strenge und Nüch-ternheit ihres Glaubens hat sicherlich in gewisser Weise den Pharisäer in Paulus angesprochen. Trotzdem fehlte dem Mithraismus etwas besonders Wichtiges. Er gebot gute Gedanken und eine moralische Lebensführung, aber er entbehrte jeglichen Mitgefühls und jeglicher Freundlichkeit. Er hatte keinen Platz für Frauen, und er hatte keinen Platz für Leib-eigene und Sklaven. Obwohl er nicht ausschließlich aufs Militär beschränkt blieb, war er doch in erster Linie auf diejenigen abgestimmt, die die Grenzen des Reiches bewachten, für die Männer gedacht, die Kühnheit und Kameradschaft angesichts allgegenwärtiger Gefahren in Ehren hielten. Pau-148
    lus kam sozusagen als Botschafter zu den Nichtjuden, und niemand kann erfolgreich eine Botschaft übermitteln – sei es nun eine spirituelle oder materielle –, ohne das Volk gut zu kennen, zu dem er sich begibt. Später schrieb er im Brief an die Römer: »Da sie (die Heiden) sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden und haben verwandelt die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes in ein Bild gleich dem eines vergänglichen Menschen und der Vögel und der vierfüßigen und der kriechenden Tiere (hierbei dachte er wohl an die ägyptischen Kulte). Darum hat sie auch Gott dahingegeben in ihrer Herzen Gelüste, in Unreinigkeit, zu schänden ihre eigenen Leiber an sich selbst, sie, die Gottes Wahrheit verwandelt haben in Lüge und haben geehrt und gedient dem Geschöpf statt dem Schöpfer, der da gelobt ist in Ewigkeit. Amen. Darum hat Gott sie auch dahingegeben in schändliche Lüste; denn ihre Weiber haben verwandelt den natürlichen Umgang in den unnatürlichen; desgleichen auch die Männer haben verlassen den natürlichen Umgang mit dem Weibe und sind aneinander entbrannt in ihren Lü-
    sten und haben Mann mit Mann Schande getrieben …«
    Paulus kannte die heidnische Welt so gut wie kaum ein anderer Jude. Sie wandten die Augen ab, wenn die Götterbilder vorbeigetragen wurden, wenn die Flöten klagten, die Zimbeln erschallten und die Eunuchenpriester mit schrillen Stimmen riefen. Paulus hielt den Blick unablässig auf seine Umwelt geheftet. Seine durchdringenden Augen musterten alles und jedes. Er las die Literatur der Heiden (Aratos, Epi-menides, Menander, Aischylos und Platon

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