Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Reisen des Paulus

Die Reisen des Paulus

Titel: Die Reisen des Paulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernle Bradford
Vom Netzwerk:
eine fast fünf Kilometer lange Bootsbrücke schlagen. Sie wurde mit Erde aufgeschüttet, und dann begann ein Spektakel, das drei Tage dauerte: Voran zog der Kaiser, entweder hoch zu Roß oder im Streitwagen, hinter ihm seine Höf-linge und die gesamte prätorianische Garde. Dies, so hieß es, habe er getan, weil Tiberius’ Lieblingsastrolog Thrasyl-lus einmal gesagt hätte, Caligula werde ebensowenig Kaiser werden wie den Golf von Neapel zu Pferd überqueren.
    Doch neben diesen pompösen Darbietungen, die das Volk liebte, vernachlässigte er keineswegs die ernsten Staatsge-schäfte. Er vollendete eine Reihe wichtiger Bauvorhaben, die unter Tiberius liegengeblieben waren, und ließ im ganzen Reich Tempel und öffentliche Gebäude wiederherstellen.
    153
    Leider wohnten zwei Seelen in seiner Brust – und die andere machte sich mehr und mehr bemerkbar. Man kann kaum daran zweifeln, daß Caligula wahnsinnig war. Es hieß, seine Geliebte und spätere Frau Milonia Caesonia habe ihm einen Liebestrank eingeflößt, um ihn an sich zu binden, und dadurch sei er verrückt geworden. Wahrscheinlicher ist, daß er den Wahnsinn, der sich wie ein roter Faden durch seine Familie zog, erbte. Er zwang seinen Schwiegervater zum Selbstmord und unterhielt inzestuöse Beziehungen zu seinen drei Schwestern. Seine Schwester Drusilla scheint die große Liebe seines Lebens gewesen zu sein – ihr Tod ließ ihn völlig verzweifeln. Als er einmal der Hochzeitsfeier eines Mannes aus seinem Hofstaat beiwohnte, gelüstete es ihn plötzlich nach der Braut. Er ließ sie unverzüglich in seine Gemächer schaffen. Was Brutalität, Sadismus und bar-barisch-rohe Szenen betraf, stand er dem Tiberius in nichts nach; eher übertraf er ihn noch. Als die Römer im Zirkus einmal einem Wagenlenker zujubelten, den er nicht favo-risierte, machte er die klassische Bemerkung: »Hätte das Volk doch nur einen Nacken!« Hören wir Sueton: »Was die Keuschheit anlangt, so schonte er weder die seine noch die eines anderen. Mit Marcus Lepidus, mit dem Pantomimen-schauspieler Mnester und mit einigen als Geiseln in Rom lebenden Fürsten soll er in gegenseitiger Unzucht gelebt haben. Valerius Catullus, ein Jüngling von konsularischer Familie, hat es sogar in aller Welt ausgeschrien, daß er von ihm entehrt und durch seine Unzucht krank geworden sei.«
    Wenn er zur Tafel geladen hatte und ihm die Frau eines Gastes gefiel, ließ er sie zu sich rufen und verließ mit ihr den Saal. Kam er zurück, so zählte er vor allen ihre körper-154
    lichen Vorzüge oder Mängel auf und äußerte sich kritisch oder lobend über ihr sexuelles Verhalten. Dieser Mann, der sogar sein Lieblingsrennpferd, den »Flieger«, zum Konsuln ernannte, war davon überzeugt, er sei Gott. Er richtete ein Heiligtum für sich ein, begründete eine dazu gehörende Priesterschule und ließ eine lebensgroße Caligula-Statue aufstellen, die jeden Tag in die Kleider gehüllt wurde, die auch er gerade trug. Gewöhnliche Opfertiere wie Schafe, Ziegen oder Rinder waren zu dürftig für die Göttlichkeit Caligulas. Vor seinem Standbild opferte man Pfauen, Wald-hühner, Fasanen, Perlhühner und Flamingos. Er setzte sich mit Jupiter gleich, ließ von seinem Palast aus eine Brücke zum Tempel auf dem Kapitol bauen und verkündete öffentlich, der Gott habe ihn darum ersucht, bei ihm zu wohnen.
    Wenn der Mond hell und voll am Himmel stand, lud er die Mondgöttin in sein Bett ein. Als Junge hatte er unter epileptischen Anfällen gelitten. Vermutlich ist er nie von dieser Krankheit genesen. Außerdem war er von Schlaflosigkeit geplagt. Nachts fand er kaum mehr als drei Stunden Ruhe.
    Oft schritt er durch die langen Flure des Palasts, sein Schatten tanzte und schwankte gespenstisch im Licht der Lampen und Kohlenpfannen und im Schein der Fackeln, die seine Wachen in der Hand hielten. Entsetzliche Gesichte suchten ihn heim. Einmal träumte er, er habe eine lange Un-terredung mit dem Mittelmeer geführt. Was ihm das Mittelmeer gesagt hatte, offenbarte er nie, aber es dürfte kaum etwas Tröstliches oder Beruhigendes gewesen sein.
    Caligulas fester Glaube, er sei der Oberste der Götter, führte in Palästina zu ungeheurer Verwirrung. Er wollte mit allen Mitteln durchsetzen, daß diese aufreizenden (und ih-155
    rerseits leicht reizbaren) Juden seine Göttlichkeit respektier-ten – und zwar in ihrem Tempel zu Jerusalem. Und so sandte er an Petronius, den Statthalter von Syrien, den Befehl, es solle eine Kolossalstatue des

Weitere Kostenlose Bücher