Die Reisen Des Paulus
voneinander trennte, machte die Stadt zum bedeutenden Handelsplatz. Die Schiffe wurden auf Rollen über den Isthmus nach Lechäum, dem Hafen
von Korinth, transportiert. So ersparte man sich den langen Seeweg um die Südspitze von Griechenland – und man tat gut daran. Kap Malea gehört zu den gefährlichsten Stellen im Mittelmeer. Ein altes Sprichwort lautete, wer Kap Malea umführe, könne vergessen, daß er je eine Heimat besessen habe.
Korinth war vor allem eine Stadt der Seeleute. Trunken-heit, Prasserei, Zügellosigkeit grassierten. Hier hatte auch Lais gewirkt, eine schöne und gescheite Hetäre, deren be-rühmtester Liebhaber Aristipp war, der Philosoph aus Kyrene. Sie prägte sozusagen die Atmosphäre der Stadt. Nach Korinth kamen die Geschäftsleute von Athen, um ungese-282
hen eine Woche lang alten Wein und junge Mädchen zu genießen. Aus der Ebene ragte über 600 Meter hoch der Bergrücken von Akrokorinth auf, droben die Stadtburg von Korinth, von der aus sich die gesamte Umgegend überblik-ken und beherrschen ließ. Strabo gibt uns eine detaillierte Beschreibung der Stadt. Darin heißt es, daß der Bergrük-ken nicht nur kriegerischen Zwecken diente. Wie auf dem Vorgebirge Eryx (Sizilien) und in Paphos (Zypern) befand sich auch hier ein Tempel der Liebesgöttin Astarte/Aphrodite/Venus, für den tausend Tempelprostituierte gearbeitet haben sollen. Obwohl der Glanz von Korinth schon längst verblaßt und durch reinen Kommerz ersetzt war, als Paulus die staubige Straße entlangschritt, wo Sklaven die Schiffe nach Osten und Westen schleppten, muß die Atmosphäre der Stadt im großen und ganzen gleichgeblieben sein. Geld gab den Ton an, mit Geld konnte man alles kaufen – ganz anders als in Beröa oder Athen, wo man immer noch den Geist über alles schätzte. Eine Überraschung erwartete Paulus. Er wußte natürlich, daß in Korinth eine blühende jüdische Gemeinde und eine Synagoge bestanden, doch er dürf-te nicht damit gerechnet haben, daß vor ihm schon Christen nach Korinth gekommen waren. Es können natürlich mehrere gewesen sein, aber erwähnt werden nur zwei: Aquila, ein Jude aus Pontus (an der Südküste des Schwarzen Meers), und seine Frau Priscilla (der Diminutiv des römischen Namens Prisca), die sich nach Claudius’ Vertreibung der Juden aus Rom in Korinth niedergelassen hatten. Sie übten denselben Beruf aus wie Paulus. Er zog zu ihnen und arbeitete wieder als Zeltmacher. Aquila, Priscilla und Paulus, Zeltmacher
– vielleicht hatten sie das als Ladenschild. Wie jeder Rabbi-283
ner hatte Paulus gelernt, daß er auch als Vermittler und Ausleger des Gesetzes der Gemeinde nicht zur Last fallen dürfe, sondern sein Brot selbst verdienen müsse. Eine sehr gute Re-gelung, nur haben sie in späteren Jahrhunderten leider allzu viele christliche Sekten vergessen. Paulus mag den Juden oft Anathema gewesen sein, trotzdem war es die Strenge des Judentums, die ihn dazu befähigte, ein so erfolgreicher christlicher Revolutionär zu werden.
Wie üblich durfte er vor der Gemeinde sprechen, »und er lehrte in der Synagoge an allen Sabbaten und überzeugte Juden und Griechen«. Später bedankte er sich bei den Ko-rinthern für die Behandlung, die sie ihm hatten angedeihen lassen. Er bekannte: »Auch war ich bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern.« Eine interessante Äußerung, die sich allerdings nicht auf seine Erlebnisse in Athen beziehen lassen dürfte, denn dort hatte man ihm wohl skeptisch gelauscht, ihm aber keine Gewalt getan. Man kann vermuten, daß der kumulative Effekt seiner Erfahrungen in anderen Städten ihn innerlich auf noch mehr Schläge, Steinigungen und Volksaufläufe vorbereitet hatte. Er mußte schwierige Straßen und Bergpässe überwinden, auf nassen, von Brechern überspülten Decks sitzen, Schiffbrüche, See-stürme und die Gewalttätigkeit in den Städten durchstehen, aber seine Beherztheit und Ausdauer verließen ihn nie. Obwohl sie einem Glauben anhingen, der besonders den Wert des Muts betonte, können nur wenige »Soldaten« des Mithraskults an Durchhaltevermögen diesem kleinen, kahlköpfigen, oftmals kranken Juden gleichgekommen sein.
Paulus ist ein lebender Beweis dafür gewesen, daß man körperliche Schwächen überwinden kann und daß dem
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Willen eine Kraft innewohnt, die von der medizinischen oder psychologischen Analyse bis jetzt noch nicht recht erkannt wurde.
Silas und Timotheus kamen von Mazedonien nachge-
reist und brachten
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