Die Reisen Des Paulus
und Kaufleute würden das Wort ausbreiten, es in die Hafenstädte des Mittelmeers und in die Provinzen des Reiches tragen. Mit Paulus kamen Aquila und Priscilla.
In der Apostelgeschichte heißt es lakonisch: »Und er schor sein Haupt zu Kenchreä, denn er hatte ein Gelübde.«
Das ist hochinteressant, denn es legt die Vermutung nahe, daß Paulus krank gewesen war. Nach altem Brauch legten die Juden, wenn sie eine schwere Krankheit oder bittere Notzeiten überstanden hatten, das Gelübde ab, zum Tempel nach Jerusalem zu pilgern. Zum Zeichen dafür scho-ren sie sich den Kopf, hoben das abgeschnittene Haar auf und verbrannten es später zeremoniell auf dem Altar. Korinth war bekannt als Brutstätte der Malaria. (Auch Gallio zog sich während seiner Amtszeit die Malaria zu und 290
ging auf eine Seereise, um seine Gesundheit wiederherzustellen.) Soviel wir wissen, hatte Paulus keinen weiteren Grund, unzufrieden oder gar verzweifelt zu sein. Der Aufenthalt in Korinth war sehr fruchtbar gewesen. Wenn er sich, wie manche Autoren vermuten, bereits in Kleinasien die Malaria zugezogen hatte, muß ein Wiederauftreten der Krankheit sehr bedrohlich gewesen sein. Im Rö-
merbrief, den er etwa vier Jahre nach seinem Besuch in Korinth schrieb, erwähnt er auch eine Diakonin der kleinen Gemeinde von Kenchreä namens Phöbe: „…sie hat
Beistand vielen getan, auch mir selbst.« Paulus war für damalige Begriffe fast schon ein alter Mann, außerdem suchten ihn immer wieder einmal Fieberanfälle heim, und in dieser Verfassung ging er mit seinen beiden Freunden an Bord. Sie nahmen ein Schiff nach Ephesus. Die starken Nordwinde der Ägäis, die Etesien, dürften noch nicht ge-weht haben. Dafür war es zu früh im Jahr. Doch angenommen, sie stachen im April in See, dann werden wohl schon die »Vorläufer« der Etesien eingesetzt haben. Diese Winde wechseln zwar nach Richtung und Stärke, stellen aber auch für kleine Boote kein großes Problem dar. Man darf vermuten, daß Paulus an Bord eines typischen Küstenfahrzeugs der Ägäis ging. Vielleicht transportierte es Manu-fakturwaren aus Korinth zum großen Markt von Ephesus.
Nördlich von ihnen lag Salamis, südlich das felsige Ägi-na. Sie fuhren am schimmernden, ruhmreichen Athen vorbei, und vor ihnen, Backbord voraus, tauchte Kap Sunion auf. Dort stand der große Poseidontempel, der Tempel des Gottes mit dem Dreizack, der ihnen Glück und Segen und eine gute Reise durch die Ägäis verhieß. Wenn der Wind 291
es erlaubte, wählten sie wohl die kürzeste Route, die nördlich von der Insel Zea verlief und dann durch die schmale Passage zwischen den Inseln Andros und Tenos führte.
Die Paulinischen Schriften sind voll von Musik. Man kann einfach nicht glauben, daß dieser Mann unberührt blieb von den Frühlingstagen und -nächten und von den schö-
nen Inseln der Ägäis. Sie waren damals grüner und fruchtbarer als heute, obwohl viele bereits im ersten Jahrhundert baumlos waren, kahlgeschlagen. Man wollte um jeden Preis Bauholz, Bauholz für Schiffe wie jenes, auf dem Paulus reiste. Sie ließen das einsame, wie ein Delphin geformte Ika-ria südlich liegen, und dann erschien Samos mit all seiner Pracht, mit den beiden mächtigen Bergzügen, die sich über dem fruchtbaren Flachland der Insel erheben. Es gab kaum Etappen auf dieser Reise, wo kein Land in Sicht war. Überall Inseln, die die Phantasie vieler griechischer Dichter be-fruchtet haben – und wir dürfen nicht vergessen, daß Paulus wie so manche Juden nicht nur ein Gläubiger, sondern auch ein Dichter war. Kaum denkbar, daß das eine ohne das andere möglich wäre. Der Aufenthalt in Ephesus war nur von kurzer Dauer. Paulus wollte der Gemeinde lediglich einen kurzen Besuch abstatten, bevor er nach Jerusalem weitereilte. Alles blieb ruhig und friedlich. Sein nächster Besuch in der Stadt sollte einen ganz anderen Verlauf nehmen. Paulus ließ Aquila und Priscilla in Ephesus zu-rück. Vermutlich arbeiteten sie wieder als Zeltmacher, vielleicht sollten sie auch dafür sorgen, daß die Glaubenslehren bei den Christen nicht falsch ausgelegt wurden. Paulus fuhr allein auf einem Kauffahrteischiff weiter, an der Küste von Kleinasien entlang und passierte Rhodos. Möglicherweise 292
lief das Schiff die Insel des Sonnengottes* an. Waren wurden ausgeladen, Passagiere gingen von Bord, andere stiegen zu, und dann weiter, an Zypern vorbei und nach Cäsarea.
Paulus’ zweite große Missionsreise ging zu Ende. Er stand im Tempel, um
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