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Die Reisen Des Paulus

Die Reisen Des Paulus

Titel: Die Reisen Des Paulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernle Bradford
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    seinem eigenen Schutz sei es am besten, ihn mit einer Es-korte nach Cäsarea zu schicken. Felix, der Prokurator, muß den Brief leicht melancholisch und resigniert gelesen haben.
    Cäsarea war an sich ein angenehmer Ort, der Palast äußerst bequem, der Wein einigermaßen trinkbar (vor allem der aus Zypern importierte), doch kannte er die Mißgeschicke, die einigen von seinen Vorgängern zugestoßen waren. Wie erfreulich wäre es gewesen, die Amtszeit in Griechenland zu verbringen oder in Gallien – überall, bloß nicht in Judäa!
    Schließlich traf Paulus in Cäsarea ein und wurde in einem Kerker im Palast Herodes’ des Großen verwahrt. Rö-
    mischer Bürger hin oder her, Felix mußte ihn einsperren lassen, bis er genau wußte, welche Klagen gegen ihn vorgebracht wurden. Fünf Tage später kamen von Jerusalem der Hohepriester Ananias und einige Älteste vom Hohen Rat, um den Prokurator zu sprechen. Klugerweise hatten sie sich einen römischen Rechtsanwalt namens Tertullus mit-genommen. Er beherrschte die Art Rhetorik, die diese Rö-
    mer verstanden. Sie dagegen konnten nur über das Gesetz und über Abweichungen vom rechten Glauben sprechen.
    Und das – sie wußten es genau –, das begriffen die Heiden einfach nicht. Tertullus eröffnete seine Rede auf die übliche Weise und sagte erst einmal, wie gut und weise der Prokurator regiere. Dann meinte er, er wolle einem vielbeschäftigen Mann wie ihm nichts von seiner kostbaren Zeit stehlen, nur sei der Mann, um den es ginge, jener Angeklagte dort, eine Bedrohung für die Gesellschaft. Überall, wo er sich aufhielte, käme es zu Unruhen.
    Felix, der als Sklave geboren und zu seiner hohen Stellung nur deshalb aufgestiegen war, weil sein Bruder, ein 335
    Freigelassener, zu Kaiser Claudius’ Günstlingen gezählt hatte, wollte keine Unruhen, ebensowenig wie Lysias. Er hörte aus dem Munde des römischen Anwalts, Lysias habe Paulus
    »mit großer Gewalt« (was nicht stimmte) aus den Händen des Hohen Rats geführt. Paulus erwiderte darauf mit einwandfreier Logik und großer Bestimmtheit. Er habe in keiner Weise gegen das römische Gesetz verstoßen, er habe keinen Aufruhr angezettelt, er habe nur einmal mit den Juden gestritten, weil er seinen Glauben an die Auferstehung der Toten kundgetan hätte. Felix muß tief geseufzt haben. Seine Frau war Jüdin – er hatte vom ständigen Disput zwischen Pharisäern und Sadduzäern gehört. Ihm schien das belang-los. Er hatte für den Kaiser Nero eine Provinz zu verwal-ten, und dies hatte nach den Gesetzen Roms zu geschehen.
    Er wies die Kläger ab. Doch er gab Order, daß der Mann, der an dieser Störung schuld war, bis auf weiteres »in leich-tem Gewahrsam« gehalten wurde. Paulus wurde gut behandelt, durfte Freunde empfangen und sein eigenes Essen von draußen beziehen. Überdies ließen Felix und seine Frau diesen seltsamen Charakter zu sich kommen und lauschten seinen Ansichten über den Menschen, der, wie er behauptete, der Erlöser des menschlichen Geschlechts sei und nicht nur der den Juden verheißene Messias. Drusilla befand sich in einer seltsamen Lage. Sie war Felix’ dritte Frau und hät-te als Jüdin nie einen Heiden heiraten dürfen. Möglich, daß das Interesse, das sie für die Paulinische Lehre bekunde-te, aus einem gewissen Schuldgefühl herrührte – vielleicht hoffte sie damit ihre Sünden abzubüßen. Schließlich war sie vorher mit dem König von Kommagene verheiratet gewesen und hatte sich von ihm scheiden lassen, um einen Römer 336
    zu ehelichen. Das dürfte sie für die Juden zur Ehebrecherin gestempelt haben. Felix war ein recht laxer Prokurator, der sich ziemlich gehen ließ. Er wurde schließlich nach Rom zurückberufen, um sich wegen eines Aufruhrs in Cäsarea zu verantworten, bei dem jüdische und griechische Einwohner aneinandergeraten waren. Laut Apostelgeschichte hoffte er auch, der Gefangene Paulus werde ihn bestechen, um freigelassen zu werden. Die meisten römischen Statthalter in den entlegeneren Provinzen erwarteten, daß sie sich – Ausgleich für ihre Dienste am Staat – ein kleines oder auch ein sehr großes Privatvermögen erwerben konnten. Paulus war nicht interessiert. Er muß gewußt haben, daß er sich für eine gewisse Summe die Freiheit erkaufen konnte. Und er muß gewußt haben, daß ihn die Juden ermorden würden, sobald er das sichere Gefängnis verließ. Er sah seine Freunde, schrieb seine Briefe, blieb mit den Gemeinden in Verbindung – warum also sollte er sich

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