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Die Reisen Des Paulus

Die Reisen Des Paulus

Titel: Die Reisen Des Paulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernle Bradford
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jedes. Er las die Literatur der Heiden (Aratos, Epi-menides, Menander, Aischylos und Platon werden von ihm zitiert). Er verbarg sich nicht vor der Welt wie die Essener, wandte die Augen nicht ab wie die anderen Juden. Er ging in 149
    diese Welt hinaus und mußte wissen, wie stark der Widerstand war, der ihn erwartete.
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    16
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    Weil ein unbekannter Jude, der Saul hieß, außerdem
    römischer Bürger war und den latinisierten Namen
    Paulus trug, etwa acht Jahre lang keine einzige Spur in der Geschichte hinterlassen hat, behandeln manche Fachleute diese doch nicht unbeträchtliche Spanne so, als sei die Zeit einfach stillgestanden. Die große Welt wußte nicht einmal, daß Paulus existierte, obwohl sein Leben und seine Schriften später Ruhm erlangten und wohl nachwirken werden, solange es auf unserem Planeten Menschen gibt.
    Im Jahre 37 n. Chr. geschah etwas, worauf man im ganzen römischen Reich lange gehofft, ja was man herbeige-fleht hatte. Bei einem seiner seltenen Ausflüge aufs italienische Festland starb am 16. März Kaiser Tiberius in seinem Landhaus zu Misenum. Es hieß, sein Nachfolger Gaius Cä-
    sar habe das Ende des alten Mannes beschleunigt und ihn mit Kissen erstickt. Er starb im Alter von 78 Jahren. »Sein Tod versetzte das Volk in einen solchen Freudentaumel, daß auf die erste Nachricht alles durch die Straßen lief, bald mit dem Rufe: In den Tiber mit dem Tiberius!, bald unter An-rufung der Mutter Erde und der Todesgötter, ›daß sie dem Toten keine Stätte, als nur unter den Verdammten, verleihen möchten …‹« So berichtet uns Sueton. Er fügt hinzu, daß einige, die unter Tiberius zum Tode verurteilt worden waren, jetzt noch hingerichtet wurden. Sein Nachfolger hatte nämlich noch nicht die Herrschaft übernommen, und daher gab es niemand, an den man sich wenden und um Mil-de bitten konnte. »So steigerte der Gedanke, als wirke die 151
    Grausamkeit des Tyrannen noch nach seinem Tode fort, den Haß gegen ihn.«
    Germanicus, der Vater des neuen Kaisers, war ein Neffe des Tiberius. Als großartiger Soldat bekannt und allgemein beliebt, starb er bereits mit 34 Jahren in Antiochien, jener Stadt, die in Paulus’ Leben eine so bedeutende Rolle spielen sollte. Man munkelte, Tiberius habe ihn vergiften lassen, weil ihn das Volk gern als Nachfolger des Augustus gesehen hätte. Das medizinische Wissen steckte damals noch in den Kinderschuhen, und wenn man einen Todesfall nicht gleich eindeutig erklären konnte – zumal, wenn es sich um einen mächtigen Mann handelte –, nahm man leicht an, hier sei Gift mit im Spiel gewesen. Germanicus hatte mit seiner Gattin Livia neun Kinder. Drei starben in den ersten Le-bensjahren. Übrig blieben drei Mädchen und drei Jungen.
    Zwei von ihnen, Drusus und Nero, wurden auf Geheiß des Tiberius und falscher Anschuldigungen wegen gefangenge-setzt und zum Tode verurteilt. Als einziger überlebte Gaius mit dem Beinamen Caligula (»Stiefelchen«). Er begleitete seinen Vater auf Feldzügen, wuchs unter Soldaten auf und hieß so, weil man ihm eine Knabenuniform hatte machen lassen, zu der auch der caliga oder Halbstiefel gehörte, die Fußbekleidung der römischen Legionäre.
    Als junger Mann besuchte Caligula für längere Zeit Tiberius auf Capri. Die Atmosphäre dieses ausgefallenen Hofes im freiwilligen Exil dürfte ihn charakterlich nicht eben gefördert haben. Tiberius machte sich keinerlei Illusionen über ihn. »Ich nähre eine Schlange an Roms Busen«, bemerkte er einmal. Bei anderer Gelegenheit sagte er, er ziehe einen Phaeton auf, der den Sonnenwagen falsch lenken und 152
    die ganze Welt in Brand setzen werde. Tiberius schätzte den Charakter seines Nachfolgers völlig zutreffend ein, doch als Caligula den Thron bestieg, begrüßten ihn die Römer mit beispiellosem Jubel – sie erinnerten sich noch seines Vaters und dachten, in ihm hätten sie einen zweiten Germanicus gefunden.
    Anfangs verhieß seine Regierung denn auch nur Gutes.
    Alle hatten das Gefühl, nach der Schreckenszeit unter Tiberius würden Rom und das Reich jetzt in Wohlfahrt und Frieden gedeihen. Caligula holte die Verbannten zurück, jagte dafür die perversen Spintrier ins Exil und wetzte so manche Scharte seines Vorgängers wieder aus. Tiberius hatte, abweichend von Augustus’ Gepflogenheit, keinen kaiserlichen Haushaltsplan mehr veröffentlicht – Caligula führ-te es wieder ein. Zur Unterhaltung des Volkes veranstaltete er verschwenderisch

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