Die Reisen Des Paulus
ein katastrophales Ende genommen. Als Claudius 54 n. Chr. starb und Nero ihm nachfolgte, hatte Paulus nicht mehr lange zu leben.
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D G S
Etwa zur selben Zeit, da Paulus nach Antiochien ent-
sandt wurde, um vor der immer größer werdenden Ge-
meinde zu predigen, zog Herodes Agrippa in Cäsarea ein, dem Regierungssitz des Prokurators von Judäa. Er wollte beweisen, daß die Jahre in Rom ihn weder zum Fremden gemacht noch korrumpiert hatten; er wollte außerdem de-monstrieren, daß er ein guter Jude war, und so griff er auf einen Sündenbock zurück, der sich geradezu anbot: nämlich die abweichlerische Sekte der Anhänger Christi. Die beste Methode, mit diesem Problem fertig zu werden, schien ihm die Ausschaltung der Apostel. Also ließ er Jakobus* hinrichten und Petrus in den Kerker werfen. Er wollte ihn töten, ihm zuvor aber noch den Prozeß machen. Vielleicht hoffte er, vor Gericht könne er den Glauben des Petrus der Lä-
cherlichkeit preisgeben. Es gelang Petrus zu fliehen. Wie, sei dahingestellt – ob ein Wunder geschah, wie die Apostelgeschichte berichtet, ob er die Wachen von seiner Unschuld zu überzeugen vermochte oder ob er sie einfach be-stach. (Möglicherweise hingen die Wachen sogar heimlich demselben Glauben an wie er.) Herodes war erzürnt über den Verlust seines Renommiergefangenen und ließ die Wachen hinrichten. Während Herodes in Cäsarea residierte, kam die Nachricht von Claudius’ verblüffenden Erfolgen in Britannien. Er war der einzige Kaiser des 1. Jahrhunderts, der dieses Land besuchte. Dank seiner Politik wurde inner-
* den Bruder des Johannes (A. d. Ü.)
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halb von vier Jahren ein großer Teil Britanniens dem römischen Reich einverleibt. Herodes traf eifrig Vorbereitungen für Spiele und für ein Fest anläßlich des kaiserlichen Sieges über diese neblige Insel, die so weit vom sonnigen Judäa entfernt lag. Im Verlauf der Festivitäten empfing er eines Tages Gesandtschaften aus Tyrus und Sidon. Vor ihnen und dem versammelten Volk hielt Herodes eine Rede. Er war ein elo-quenter Mann, die Sonne beschien seine Königsgewän-
der, seine Krone blitzte auf wie Feuerfunken … Die Menge wußte wohl, welche Schmeicheleien die Potentaten des Ostens von ihren Untertanen erwarteten, und so riefen einige, die ganz vorne standen: »Das ist Gottes Stimme und nicht eines Menschen!« Als Herodes wieder Platz genommen hatte, überfielen ihn furchtbare Schmerzen. Die Apostelgeschichte behauptet, ihm sei so geschehen, weil er diese faustdicke Schmeichelei angenommen und nicht Gott die Ehre gegeben habe. Er »ward gefressen von den Würmern«
und starb fünf Tage später. Welche Krankheit ihn das Leben kostete, wissen wir nicht. Jedenfalls war es günstig für die Christen. Die drei Machthaber, die für die Sekte und die Ausbreitung ihres Glaubens eine Bedrohung dargestellt hatten – Tiberius, Caligula und Herodes Agrippa –, lebten nicht mehr. Ein relativ gütiger Kaiser regierte die Welt. Die Zeit war reif, um noch mehr Anhänger zu gewinnen.
Trotz Herodes, trotz der Feindseligkeit zwischen Rö-
mern und Juden blühte in all diesen Jahren der neue Glaube in ganz Galiläa, Judäa, Samarien und Syrien. Er hatte in der großen Stadt Antiochien Fuß gefaßt und zog jetzt nicht mehr nur Juden, sondern auch Heiden in seinen Bann. Des Petrus Traum vom großen leinenen Tuch, das vom Him-160
mel auf die Erde herniedergelassen wurde und alle möglichen unreinen Tiere enthielt, ist gerade in diesem Stadium sehr bezeichnend. Eine Stimme sprach zu ihm, er solle sie schlachten und essen. Dem Gesetz gemäß durfte er das jedoch nicht. Aber die Stimme gab ihm zur Antwort: »Was Gott gereinigt hat, das heiße du nicht gemein.« Die Traum-symbolik ist klar: auch wer außerhalb des Gesetzes stand, auch Nichtjuden und Heiden konnten im neuen Glauben
angenommen werden. Die Zeit war nicht mehr fern, da
Paulus seinen Weg ging und die Nichtjuden bekehrte.
Die Mutterkirche in Jerusalem erfuhr natürlich von der ständig wachsenden Zahl der Neubekehrten in Antiochien. Vielleicht ängstigte sie sich auch wegen der vielen Nichtjuden, die in die Gemeinde aufgenommen wurden. Jedenfalls schickte man den anständigen und verläßlichen Barnabas, um zu erkunden, was in Antiochien vor sich ging. Barnabas war zweifellos guten Willens, aber wahrscheinlich fühlte er sich ziemlich hilflos, wenn er mit Griechischsprachigen verhandeln mußte, mit heidnischen Männern und Frauen,
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