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Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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ehrliche Söldner halte ich zu der Fahne, unter der ich kämpfe.«
»Dann sollten Sie lieber vom Schicksal Donomagas sprechen und nicht von dem der ganzen Menschheit. Sie wissen doch – außerhalb unserer Landesgrenzen wird Ihre Methode abgelehnt. Und geben Sie zu, daß…«
»Jetzt reicht’s aber, Creps! Verschonen Sie mich mit Ihren banalen Sprüchen. Sagen Sie mir lieber, warum alle Welt hurra schreit, wenn wir einem Menschen den Herzmuskel erneuern, die Leber regenerieren, den Organismus verjüngen: Ach, wie menschlich, ach, wie human, was für ein immenser Sieg der Vernunft über die Natur! Aber kaum gehen wir ein bißchen tiefer, gleich zetern solche Typen wie Sie los: Einem Wissenschaftler das Gedächtnis invertiert – unerhört, pfui Teufel, ein schändlicher Eingriff! – Vergessen Sie nicht, daß unserer Experimente einen Haufen Geld kosten. Die Wissenschaftler, die unsere Klinik verlassen, müssen wirklich arbeitsfähig sein und keine aufgefrischten Greise mit verbrauchtem Gehirn.«
»Na gut«, lenkte Creps ein. »Vielleicht haben Sie recht. Kein Teufel ist so schrecklich, wie man ihn malt.«
»Vor allem dann nicht, wenn man ihm ein Engelsgehirn verpassen kann.« Leroi lachte amüsiert.
Der Timer klingelte.
»Zwanzig Minuten«, sagte unbeteiligt die Schwester.
Creps trat an die Maschine.
»Die Matrix des Kontrollprogramms zeigt Nullen.«
»Ausgezeichnet! Schalten Sie die Generatoren aus. Die Temperatur anheben – ein Grad pro Minute. Die Narkose beenden.« Die Regenerationslösung kühlt angenehm den Körper, die Transformatoren summen leise, heiß pulsiert das Blut, es duftet nach Ozon, sanftes Lampenlicht ringsum.
Die Umwelt dringt mit Macht in den erwachenden Körper ein – die herrliche, vertraute, ewig neue Welt.
Clarence hob den Kopf.
Zwei schwarze Figuren in fersenlangen antiseptischen Kitteln beugten sich über die Wanne.
»Na, wie fühlen Sie sich, Clarence?« fragte Leroi.
Clarence reckte sich.
»Prächtig! Wie neugeboren!«
»So ist es ja auch«, brummte Creps.
Leroi lächelte.
»Sie möchten wohl gleich lostanzen?«
»Verdammt kräftig komm’ ich mir vor! Berge könnt’ ich versetzen!«
»Das schaffen Sie schon noch.« Leroi machte ein ernstes Gesicht. »Jetzt geht’s erst einmal unter die Dusche und dann zur Inversion.«
    Wer sagt, daß ein gesunder Mensch seinen Körper nicht spürt? Blödsinn! Es gibt keinen höheren Genuß, als zu fühlen, wie das eigene Herz schlägt, wie das Zwerchfell vibriert, wie die Luft bei jedem Atemzug die Luftröhre streichelt. Oder mit jeder Zelle der jungen, elastischen Haut das pralle Duschwasser aufzufangen und leise zu prusten – wie ein Motor im Leerlauf, ein Motor mit gewaltigen, noch ungenutzten Leistungsreserven. Teufel noch mal – ist das schön! Wirklich, ein Riesensprung, den die Technik in den fünfzig Jahren gemacht hat! Das hier ist mit der ersten Regeneration gar nicht zu vergleichen. Die war doch nur Flickwerk… A-ha-ha, ist das eine Wohltat! – Und was sie mit Elsa gemacht haben – direkt ein Wunder! Bloß schlecht, daß sie auf die Inversion verzichtet hat. Frauen leben stets von der Vergangenheit, hüten die Erinnerungen wie Souvenirs. Wozu diesen Ballast mit sich rumschleppen? In der Zukunft liegt unser Leben! Kaste der Unsterblichen – gar nicht übel! Interessant, wie es nach der Inversion wird? Offen gesagt, in der letzten Zeit war mit dem Gehirn nicht mehr viel los: während des ganzen Jahres kein einziger Artikel. Hundert Jahre sind eben kein Pappenstiel. Macht nichts, jetzt werden sie alle staunen, was der alte Clarence noch fertigbringt!
    Ein ausgezeichneter Gedanke: am fünfundsiebzigsten Hochzeitstag bei Elsa nicht nur körperlich, sondern auch geistig erneuert aufzutauchen…
    »Das reicht, Clarence. Leroi erwartet Sie im Inversionsraum. Ziehen Sie sich das über!« Creps reichte Clarence einen dikken, flauschigen Bademantel.
Vor – zurück, vor – zurück pulsiert der Strom im Schwingkreis, der Rhythmus ist vorgegeben, vorgegeben…
    Der Elektronenstrom stürzt von der Oberfläche des erhitzten Fadens und hastet, vom elektrischen Feld getrieben, ins Vakuum. Stopp! Jetzt ist das negative Potential auf dem Netz.
    Eine unvorstellbar winzige Pause und erneut strebt der ungeduldige Schwarm zur Anode. Vorgegeben ist der Rhythmus, der im Quarzkristall unhörbare Schallschwingungen erzeugt,… zigmal feiner als Mückengesumm.
    Die stummen Ultraschallwellen eilen durch den Silberdraht, und eine Metallzecke bohrt sich in die

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