Die Rekonstruktion des Menschen
Ein Geheimnis zur Geheimhaltung eines anderen Geheimnisses… So ist das eben manchmal.«
Ich war von dem Fixophon begeistert und vergaß darüber für einen Moment, daß ich auf meine letzte Frage eigentlich gar keine richtige Antwort erhalten hatte. Wie es schien, hatte Mett das beabsichtigt, denn eilig machte er sich daran, weitere Untersuchungen an meiner Person durchzuführen. Wieder überließ er mich für zwei Stunden immer wechselnden Untersuchungsapparaten.
Bis zum Abend sprachen wir nicht mehr über die Silikanthropen. Ich hatte das Gefühl, daß Mett dieses Thema zu vermeiden suchte, darum fragte ich auch nicht weiter. Als ich mich schließlich niederlegte und zu schlafen versuchte, standen mir immer wieder die Menschen vor Augen, die ich früh auf Metts Bildschirm gesehen hatte. Ich sah sie ganz deutlich vor mir und konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, daß sich auf ihren Gesichtern die menschlichste aller Ängste, die Angst vor dem Tod, gespiegelt hatte. Eine Vermutung drängte sich mir auf, die ich erfolglos zu unterdrücken versuchte. Und da fielen mir Metts Worte wieder ein: ›Sie sind überzeugt davon, daß es Wirklichkeit ist…‹ Waren sie das tatsächlich? Nein, das war ausgeschlossen!
Das war mein letzter Gedanke, bevor ich einschlief.
Am nächsten Morgen, beim Frühstück, fiel mir dieser Gedanke wieder ein.
»Hör mal, Mett«, sagte ich, »und was macht ihr mit dem Gehirn eurer Patienten? Verwandelt ihr das auch in Siliziumgewebe?«
Nur mit Mühe gelang es ihm, ein Zucken in seinem Gesicht zu beherrschen. Erst nach einer geraumen Zeit brachte er unsicher heraus: »Nein… Das ist uns noch nicht gelungen. Das Gehirn bleibt, wie es ist, es wird nur auf eine spezielle Art synthetisch ernährt, damit es sich in der siliziumorganischen Umgebung nicht fremd vorkommt.«
Ich fühlte, daß ich einen wunden Punkt getroffen hatte, und beschloß, die Attacke fortzusetzen: »Warum hast du mir, als du mir die wunderbaren Perspektiven eines hervorragenden Lebens als Silikanthropus auseinandersetztest, nicht gesagt, daß ein solcher Silikanthropus sich an seine gesamte Vergangenheit nicht erinnern kann?«
Er starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an.
»Gut, ich werde dir alles darüber sagen. Wenn du es unbedingt wissen willst, werde ich es dir sagen, aber ich glaube nicht, daß deine Lust hierzubleiben sich dadurch vergrößert«, sagte er böse. »Wenn ich gewollt hätte, hätte ich schon längst einen folgsamen Silikanthropus aus dir machen können! Zieh das in Betracht, bevor du mir weiß Gott was vorwirfst! Vielleicht Mord an der menschlichen Persönlichkeit?
Es ist wahr«, sagte er nach einer ganzen Zeit, »sie erinnern sich an nichts aus ihrem früheren Leben. Ihr Lebenslauf wurde durch einen neuen, ihrer Situation angepaßten ersetzt. Versteh doch, das war unbedingt notwendig. Kannst du dir ein Leben vorstellen, ein zweihundertjähriges Leben, das mit der ganzen Menge der Erinnerungen belastet ist, die in der Unendlichkeit der kosmischen Leere wieder aufleben? Wie viele Konflikte, Zusammenbrüche, Selbstvorwürfe und Vorwürfe der ganzen Welt und den Menschen gegenüber könnte das bewirken! So wie es ist, muß es sein, es ist besser. Besser besonders für sie selbst. Denn nach ihrer Rückkehr werden sie doch keine der ihnen nahestehenden Personen wiederfinden, und die Welt, die sie antreffen, wird ihnen vollkommen fremd sein. Weißt du, was sie dort in ihren Raketen denken, die doch nie von der Erde abgehoben haben? Einige glauben, daß sie auf dem Weg sind, neue Welten zu erforschen, die anderen sind davon überzeugt, daß sie nach einer langen Reise zurückkehren. Und wir beobachten ihre Reaktionen in den verschiedensten Situationen, wir testen sie, damit später, während der wirklichen Expeditionen, nichts Unvorhergesehenes passieren kann. Der Kosmos birgt sicherlich viele Überraschungen, aber glaube mir, noch mehr Überraschungen birgt die menschliche Natur in sich und besonders die Natur eines Menschen, der unter völlig unbekannten, neuen Bedingungen auf sich selbst gestellt ist. Wir können das Training oder, wenn du es so nennen willst, das Experiment jederzeit unterbrechen. Wir können in ihrer Erinnerung die vorherigen Eindrücke löschen, ihnen neue vermitteln, ihnen eine neue ›Vergangenheit‹ machen und noch einmal von vorn beginnen.«
Er schwieg und starrte vor sich hin, so als überlegte er, ob er weitersprechen solle.
»Sie wußten also doch nicht alles?« fragte ich nach
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