Die Rekonstruktion des Menschen
regeneriert zu sein. Was hat man denn voriges Mal mit ihnen gemacht?«
»Ich seh’ gleich nach.« Creps beugte sich über die Nummernscheibe des Automaten und wählte eine Chiffre.
Leroi lehnte sich im Sessel zurück, brummte etwas.
»Wie bitte?« fragte Creps.
»Schon sechs Stunden. Wir müssen die Narkose beenden.«
»Und die Nieren?«
»Haben Sie die Information?«
»Ja. Totale Wiederherstellung des Nierenbeckens.«
»Zeigen Sie mal her!«
Creps wußte: Beim Antworten nahm sich der Chef Zeit. Also faßte er sich in Geduld.
Leroi legte den Streifen aus der Hand und runzelte verdrossen die Stirn.
»Wir müssen sie regenerieren. Geben Sie auch gleich ein genetisches Korrekturprogramm ein.«
»Sie glauben, daß…«
»Unbedingt. Sonst wären sie in den fünfzig Jahren nicht derart verschlissen.«
Creps setzte sich an den Locher. Leroi schwieg, klopfte mit dem Bleistift auf den Tischrand.
»Die Temperatur in der Wanne ist um drei Zehntel Grad gestiegen«, meldete die Schwester.
»Geben Sie eine Tiefkühlung bis…« Leroi zögerte. »Moment mal… Wie weit sind Sie mit dem Programm, Creps?«
»Die Kontrollvariante ist in der Maschine. Konvergenz: dreiundneunzig Prozent.«
»Gut, wir riskieren es. Tiefkühlung zwanzig Minuten. Haben Sie verstanden? Zwanzig Minuten Tiefkühlung. Gefälle: ein halber Grad pro Minute.«
»Ja, verstanden«, erwiderte die Schwester.
»An die Erbmasse geh’ ich ungern ‘ran«, sagte Leroi. »Man weiß nie genau, womit es endet.«
Creps wandte sich zum Chef hin.
»Wenn Sie mich fragen – ich finde das alles scheußlich, durch die Bank. Besonders die Gedächtnisinversion. Da würde ich nie zustimmen.«
»Ihnen schlägt es ja auch niemand vor.«
»Eben, eben! Haben eine Kaste von Unsterblichen ausgebrütet und dürfen jetzt Männchen vor ihnen machen.«
Leroi schloß müde die Augen. »Sie sind für mich ein Rätsel, Creps. Manchmal erschrecken Sie mich direkt.«
»Was ist denn an mir so schrecklich?«
»Ihre Beschränktheit.«
»Schönsten Dank…«
»Minus sechs«, sagte die Schwester.
»Genug. Schalten Sie auf Regeneration um.«
An der Decke des OP flammten violette Lichtreflexe auf.
»Die Rückkopplung geben Sie auf die Matrix des Kontrollvariantenprogramms.«
»Gemacht«, sagte Creps.
»Erbanlagen«, murmelte Leroi. »Ich mag nicht drin rumfuhrwerken.«
»Ich auch nicht«, sagte Creps. »Überhaupt stinkt mich der ganze Kram an. Wozu das alles?«
»Sagen Sie mal, Creps, kennen Sie den Begriff ›Kampf ums Dasein‹?«
»Klippschule…«
Leroi ließ ihn nicht ausreden.
»Ich meine was andres. Den Kampf ums Dasein, den die ganze biologische Gattung Homo sapiens führt.«
»Und deshalb muß man Monstren von Anno dazumal aufpolieren?«
»Wie kann man nur so stur sein, Creps? Wie alt sind Sie eigentlich?«
»Dreißig.«
»Und wie lange arbeiten Sie als Physiologe?«
»Fünf Jahre.«
»Und was haben Sie davor getrieben?«
Creps zuckte die Achseln.
»Sie wissen es doch«, sagte er.
»Gelernt?«
»Na, was denn sonst.«
»Also fünfundzwanzig Jahre schon verbraten. Aber wenn Sie was darstellen wollen, müssen Sie noch Mathematiker, Kyberniker, Biochemiker, Biophysiker werden, also noch viermal studieren. Rechnen Sie mal nach, wie alt Sie dann sind. Und wieviel Zeit geht außerdem drauf, um das zu erwerben, was man ganz bescheiden Erfahrung nennt, was aber eigentlich die durchs Leben erprobte Fähigkeit zum wissenschaftlichen Denken ist!«
Creps’ Gesicht überzog sich mit roten Flecken.
»Sie meinen also…«
»Ich meine gar nichts. Mit Ihren Leistungen als Assistent bin ich vollauf zufrieden. Aber was ist ein Assistent für sich allein genommen? Ein Nichts. Die Wissenschaft braucht Leiter; Leute, die was ausführen, finden sich immer. Die Lage wird immer schwieriger. Je weiter wir kommen, um so mehr Probleme gibt es, brennende, unaufschiebbare, von ihrer Lösung hängt womöglich die Existenz des Menschengeschlechts ab. Das Leben wartet doch nicht, es treibt einen ständig an: Arbeite, arbeite, von Jahr zu Jahr mehr, intensiver, produktiver, sonst kommt es zur Stagnation, zum Verfall – und Verfall ist Tod.«
»Sie haben wohl Angst, wir verlieren den Wettbewerb?« fragte Creps.
Ein spöttisches Lächeln huschte über Lerois schmale Lippen.
»Glauben Sie wirklich, Creps, mich interessiert, welches von den sozialen Systemen in der Welt siegt? Ich kenne meinen Preis. Und den zahlt jeder, für den ich gewillt bin zu arbeiten.«
»Gelehrter und Söldner?«
»Haben Sie was dagegen? Und wie jeder
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