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Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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bittet, oder?«
    Engelbert ließ die Drohung wirken.
    Ambrosius war blass geworden. »Aber auch die Klöster brauchen den Beistand der Heiligen«, sagte er in weinerlichem Ton.
    Engelbert fiel nicht auf sein Possenspiel herein. »Und die Einkünfte durch Pilger, ich weiß. Das haben wir doch schon ein Dutzend Mal durchgekaut. Entscheidet Euch. Jetzt!«
    Einen Moment schwiegen beide, blickten stumm herab auf den Gegenstand der Verhandlungen, der zwischen ihnen auf dem Tisch stand: eine kleine Schatulle, unter deren fest verschlossenem Deckel die zwei Fingerknochen des heiligen Franziskus verborgen waren.
    Der Abt schluckte. »Eben. Diese Einkünfte würden uns fehlen. Wie sollen wir da gottgefällig unsere Pflichten erfüllen?« Er legte die Hände zusammen, knetete sie und begann zu plappern wie ein Händler auf dem Markt. »In aller Bescheidenheit, was haltet ihr davon: Bei Sontheim, einem Ort südlich von Nürnberg, gibt es ein unwichtiges Gut mit mäßig ertragreichen Ländereien, das der König dem Bischof von Würzburg als Lehen gegeben hat.«
    Engelbert kannte das Gut. Die Erträge waren nicht mäßig, sondern ausgezeichnet. Niemals würde es der König sich mit dem Bischof von Würzburg verderben, um diesem Gierschlund von Ambrosius das Maul zu stopfen. Genug war genug. Neben dem Beutel mit Silbermünzen hatte der Abt ihm schon ein Stück Land vor den Toren der Stadt abgeschwatzt. Ambrosius hatte den Bogen überspannt.
    Engelbert griff nach dem Beutel. »Ich fürchte, wir kommen nicht ins Geschäft, Abt. Wirklich bedauerlich. Ich werde dem König ausrichten, dass Ihr ihm nicht gehorchen, ja dass ich annehmen muss, dass Ihr Euch sogar gegen ihn auflehnen wollt. Die Gästekammern im Verlies der Prager Burg sollen recht ungemütlich sein, man muss sie teilen mit ausgehungerten Ratten, und die Bediensteten dort unten spielen gerne mit glühenden Zangen.« Engelbert drehte sich zur Tür und ging los.
    Ambrosius hob die Hände. »Aber, aber!«, rief er. »Wartet. Handelt nicht übereilt! Was für ein bedauerliches Missverständnis! Wie könnte ich mich den Wünschen meines Königs entgegenstellen? Ihr sollt die Reliquie haben. Zum vereinbarten Preis. Selbstverständlich.«
    Engelbert verzog die Lippen zu einem abfälligen Grinsen und wandte sich wieder dem Abt zu. »Öffnet die Schatulle.«
    Ambrosius zögerte einen Wimpernschlag, verdammt, was führte er im Schilde?
    Schließlich schob der Abt den Deckel zur Seite. Auf blauem Samt lagen zwei kleine Knochen. Engelbert wusste inzwischen genug über menschliche Anatomie, um beurteilen zu können, dass es sich tatsächlich um zwei Fingerknochen handelte und nicht um Schweinezehen. Aber waren es auch wirklich Fingerknochen des heiligen Franziskus? Seine Gebeine waren sehr begehrt, man munkelte, es gebe inzwischen so viele Knochen des Heiligen, dass man fünf Gräber mit ihnen füllen könnte.
    Engelbert hob den Blick. »Wo ist das Fingerreliquiar?«
    Ambrosius wiegte seinen massigen Schädel. »Es ist leider zerbrochen und daher nicht mehr geeignet …«
    »Ja, ja, schon gut. Die Cedula?«
    Mit einer schnellen Bewegung, die Engelbert fast dazu veranlasst hätte, in Kampfposition zu gehen und sein Kurzschwert zu ziehen, zog der Abt einen kleinen Zettel hervor und reichte ihn herüber. Engelbert studierte die Cedula, alles schien in Ordnung: Fundstelle, Fundzeit, Finder und der Verweis auf das Authentizitätsdokument. Engelbert holte Luft, aber bevor er sprechen konnte, reichte der Abt ihm ein Pergament, gesiegelt und ausgestellt von Papst Clemens VI., das die Echtheit der Reliquie garantierte. Engelbert drehte das Dokument in seinen Händen und wunderte sich, dass alles anscheinend doch mit rechten Dingen zuging.
    Er verkniff sich ein zufriedenes Grinsen. »Gut. Dann will auch ich meinen Teil der Abmachung erfüllen.«
    Es widerstrebte Engelbert, ausgerechnet den Dominikanern, die eigentlich zur Armut verpflichtet waren, wieder ein Stück Macht durch neuen Landbesitz zu übertragen. Aber sein König und Herr, Karl von Luxemburg, wollte es so, und Engelbert war ihm treu ergeben.
    Ambrosius verzog keine Miene. Unmöglich zu sagen, was hinter seiner Stirn vorging. Engelbert musste auf der Hut sein, der Abt war ein abgebrühter Hund.
    Engelbert ließ sich Pergament, Tinte und Feder reichen und setzte ein Schriftstück auf, mit dem er dem Dominikanerkloster zu Nürnberg im Namen Karls IV. die Erträge des versprochenen Stück Landes vor der Stadt übertrug. Ein echter

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