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Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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bereits alle Türen verschlossen. Schnell fand er, was er suchte: das Haus des Aaron ben Levi, Medicus und Chirurgicus. Engelbert klopfte dreimal, wartete, dann klopfte er zweimal und nochmals dreimal. Die Tür öffnete sich, Engelbert schlüpfte hinein. Vor ihm stand Aaron, die weißen Haare waren lichter geworden, aber seine Augen hatten nichts von ihrer Wärme und Weisheit verloren.
    »Engelbert von der Hardenburg! Welch eine Freude. Wie lange haben wir uns nicht gesehen?«
    »Zu lange, kein Zweifel, mein Freund.«
    Engelbert umarmte Aaron. »Und ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich erst jetzt komme, wo ich deine Hilfe brauche …«
    Aaron winkte ab. »Wozu sind Freunde da? Wie kann ich dir dienlich sein? Bist du hungrig?«
    Engelbert schüttelte den Kopf. »Hab Dank, aber ich bin in Eile.«
    Er trat in den Wohnraum, stellte die Schatulle auf den Tisch und öffnete sie.
    »Was siehst du, Aaron?«
    Aaron beugte sich über die Knochen. Er hielt sich mit einer Hand ein Sehglas vor die Augen, während er mit der anderen bedächtig eine Kerze über die Reliquie schwenkte.
    »Zwei Fingerknochen. Ob sie von einer einzigen Hand sind, kann ich nicht sagen. Aber wer immer der Besitzer war, er ist um sein Alter ebenso zu beneiden wie um sein gutes Leben, obwohl er zuletzt große Schmerzen gehabt haben muss.«
    Engelbert begann zu schwitzen. »Wie alt?«
    »Mindestens sechzig, eher siebzig Jahre.«
    Verflucht! Das bestätigte seine Befürchtungen. Der heilige Franziskus war nur wenig älter als vierzig Jahre geworden. Engelbert juckte es in den Fingern, das ganze Kloster dieses verlogenen Abtes in Schutt und Asche zu legen.
    »Schau her.« Aaron zeigte auf Verdickungen an den Enden der Knochen. »Sehr weit fortgeschritten, das Zipperlein. Die Gicht. Zu viel Wein, zu viel Fleisch, zu viel Fett. Dieser Mensch hat Ausschweifungen geliebt, über Jahrzehnte hinweg.«
    »Das sollen Knochen des heiligen Franziskus sein«, sagte Engelbert tonlos.
    Aaron lachte leise. »Nun ja, alles, was ich über Franziskus von Assisi weiß, ist, dass er regelmäßig gefastet hat und dennoch recht jung gestorben ist. Nein, er mag blind gewesen sein, aber die Gicht hatte er mit Sicherheit nicht.«
    Engelbert schlug mit der Faust in seine Hand.
    »Man hat dich betrogen, nicht wahr?« Aaron seufzte.
    »Ja. Abt Ambrosius, der Hund. Aber ich werde es ihm heimzahlen, darauf kannst du wetten.« Er griff nach der Schatulle. »Eins noch: Ich rate dir, Nürnberg zu verlassen. Es steht zu befürchten, dass Karl …«
    Aaron hob eine Hand. »Ich weiß. Wir sind gewarnt. Danke. Kann ich noch etwas für dich tun?«
    Engelbert nickte. »Hast du zufällig ein paar Hühnerknochen für mich?«
***
    Rebekka kam keuchend zu Bewusstsein. Etwas Schweres bewegte sich auf ihr, drückte sie auf den feuchten Untergrund und stöhnte genüsslich. Mosbach! Voller Entsetzen spürte sie, wie sein entblößter Unterleib sich zwischen ihre Schenkel drängte. Sie schrie so gellend, dass der Christ für einen Moment innehielt und sie ungläubig anstierte.
    Verzweifelt tastete sie im nassen Gras umher. Wenn sie nur irgendetwas zu fassen bekäme, mit dem sie sich wehren konnte! Einen Stock, einen Stein, irgendetwas!
    Mosbach erholte sich schnell von seinem Schreck und presste mit seinen Beinen ihre Schenkel weiter auseinander.
    Rebekka drückte, so fest sie konnte, in die entgegengesetzte Richtung, doch ihre Kräfte ließen bereits nach, ihr ganzer Körper bebte vor Angst und Anstrengung. Da! Ein Stein! Gerade als Mosbach mit einem gierigen Stoß in sie eindringen wollte, versetzte ihm Rebekka mit aller Wucht einen Hieb auf die Schläfe.
    Mosbach grunzte leise und sank auf sie nieder.
    Angewidert rollte Rebekka den stinkenden Leib von sich hinunter und erhob sich mühsam. Ihre Beine zitterten so sehr, dass sie kaum gerade stehen konnte. Lauf , befahl sie sich selbst. Lauf, so weit dich deine Füße tragen!
    Sie taumelte zum Wagen und suchte nach ihrem Bündel. Wo hatte sie es gelassen? Vor dem Bock? Auf der Ladefläche? Ihr Herz raste, das Kleid klebte an ihrem schweißnassen Körper. Endlich entdeckte sie das Bündel auf einem Baumstumpf vor dem Wagen. Hastig griff sie danach. Als sie durch das Gras auf die Landstraße stolperte, stöhnte Mosbach hinter ihr. Zu Tode erschrocken rannte sie los.
***
    Lautlos erklomm Engelbert die Klostermauer. Es fiel ihm nicht schwer. Sie war zwar hoch, aber das Mauerwerk bot viele Ritzen, sodass er leicht Halt fand. Wie gut, dass er vorgesorgt

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