Die Rettung
bezahlen, denn sie hatte selbst zwei Söhne, und er konnte nicht erwarten, dass sie seinen Haushalt versorgte, wenn er sich nicht zugleich darum kümmerte, dass sie in ihrem eigenen Heim keine Not litt. Neben ihrer Tätigkeit für Dylan arbeitete Sarah auch noch in der Burg, dafür durfte sie mit ihren Söhnen in einer Kammer neben den Dienstbotenunterkünften wohnen. Seit sie für Dylan arbeitete, wurden sie und ihre Familie von ihm eingekleidet und frühstückten bei ihm, schliefen aber in der Burg und aßen dort zu Mittag und zu Abend. Sarah war eine Base der Frau des Lairds und die Witwe eines seiner Vettern. Dylan war selbst ein naher Vetter des Lairds und somit auch mit Sarah verwandt, daher hatte er ihr gegenüber eine stärkere Verantwortung als ein gewöhnlicher Arbeitgeber und musste gut für sie sorgen, ob er es sich nun leisten konnte oder nicht.
Zusätzlich zu Sarah hatte er auch noch einen Jungen aus dem Dorf in seine Dienste genommen, der seine Schafe hütete. Dylans Handelswaren - gesponnene Wolle, überschüssiger Hafer, Eier und ähnliche Landwirtschaftsprodukte - gingen in diesem Winter rasch zur Neige, und er fürchtete, einen Teil seines Whiskys vor der Zeit verkaufen zu müssen. Der Inhalt seiner ersten Fässer aus dem Jahr 1717 würde aber erst im nächsten Jahr fertig gereift sein, und wenn er ihn jetzt schon anbieten musste, machte das seinen Plan zunichte, den ersten alten Whisky in den Highlands zu produzieren. Und genau das wollte er unbedingt tun.
Aber er war auch nicht willens, schon bald wieder zu heiraten. Vielleicht würde er nie dazu bereit sein. Es erschien ihm undenkbar, Cait zu ersetzen. Obwohl von allen Seiten Druck auf ihn ausgeübt wurde, weigerte er sich, Sarah zur Frau zu nehmen, nur weil das ganze Tal dachte, dies sei für sie beide die beste Lösung.
Noch hatte er vor, die Kinder in die Obhut ihrer Großeltern, des Lairds und seiner Frau, zu geben. Iain und Una hätten Ciaran. und Sile nur zu gerne zu sich in die Burg genommen, doch Dylan bestand hartnäckig darauf, dass sie bei ihm blieben. Er hatte zu hart darum gekämpft, sich mit Cait ein Heim zu schaffen und seinen Kindern ein guter Vater zu sein, als dass er das alles leichten Herzens aufgegeben hätte.
Um Sinann von dem leidigen Thema abzulenken, schlug er vor: »Wie wäre es denn mit Ena? Du weißt, dass sie mir auch schon lange schöne Augen macht.«
Die Fee gab einen abfälligen Laut von sich. »Sie ist zufällig das hässlichste Mädchen im ganzen Tal - halb so alt wie du, und ihre Zähne sind schon schwarz und verfault. Außerdem hat sie überhaupt kein Kinn. Das ist doch keine Frau für dich. Lass sie nur Coinneach heiraten.«
Dylan musste unwillkürlich lächeln. Sinann schien aufrichtig empört darüber, dass er überhaupt daran dachte, ein hässliches Mädchen zur Frau zu nehmen. »Ich weiß nicht«, meinte er. »Coinneach zeigt kein großes Interesse an ihr, außerdem ist er noch fast ein Junge. Aber vielleicht hast du Recht, wer nimmt schon gern eine Frau, die sonst keiner will. Fangen wir doch einfach klein an. Ich glaube, es reicht, wenn sie sich ein bisschen um mich ... kümmert.«
Sinann, der es vor Entsetzen die Sprache verschlagen zu haben schien, schnippte mit den Fingern und verschwand.
In sich hineinkichernd richtete Dylan sich auf, griff nach seinem Stab mit dem geschnitzten Bärenkopf und ging nach draußen, um sein morgendliches Trainingsprogramm zu absolvieren. Er lehnte den Stab gegen die Hauswand, trat in die Mitte des Hofes und nahm die Grundhaltung ein - Füße schulterbreit auseinander, Knie leicht gebeugt dann begann er mit den Aufwärmübungen, Doirinn und Fionn saßen ganz in der Nähe und sahen ihm zu. Ein breites Grinsen schien um ihre Schnauzen zu spielen.
Dylan schüttelte sich, straffte sich, holte tief Atem und bekreuzigte sich, indem er mit den Fingern seine Stirn, seine Brust, die linke und dann die rechte Schulter berührte. Sein Atem bildete silbrige Wölkchen, als er begann, den Rosenkranz vor sich hinzumurmeln. »In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti.« Dann beugte er sich aus der Taille heraus nach vorne, die Hände in die Hüften gestemmt, und fing an, seine Beinmuskeln zu dehnen.
Nachdem der Rosenkranz zu Ende gebetet war, hatten sich seine verkrampften Muskeln gelockert, der Schmerz in seinem linken Bein war verflogen, und die Strahlen der aufgehenden Sonne tauchten die Berge in einen zartrosa Schimmer. Dylan nahm den Stab in die Hand und blieb einen
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