Die Rettung
sein Kopf wieder vollkommen klar. Das gefrorene Gras knirschte unter seinen Füßen und einmal wäre er beinahe auf einer vereisten Stelle ausgeglitten. Dylan blieb stehen und blickte über seine Felder hinweg zu den Bergen, die hinter seinem kleinen Tal aufragten. Der Himmel über den Gipfeln verfärbte sich bereits schwach rötlich.
Wieder einmal beeindruckte ihn der majestätische Anblick tief. Diese Berge gab es schon länger, als er denken konnte, und sie würden sich noch lange nach seinem Tod in unveränderter Pracht über dem Land erheben. Dylan war sicher, dass es ihn nicht nur durch einen bloßen Zufall in dieses Jahrhundert verschlagen hatte. Von all den Millionen Jahren, die dieser Planet nun schon existierte und noch existieren würde, lebte er ausgerechnet jetzt und hier. Das konnte kein Zufall sein und er war froh darüber.
Doirinn und Fionn tobten im Hof herum, schnüffelten in allen Ecken und suchten nach einem Platz, wo sie nach der langen Winternacht ungestört ihr Geschäft verrichten konnten. Fionn, ein junger, verspielter Bursche, nahm Anlauf und sprang auf Doirinn zu, doch der ältere Hund wich aus, duckte sich, als Fionn zum zweiten Sprung ansetzte, und fuhr dann fort, den Boden zu beschnuppern, als wäre der Welpe überhaupt nicht da.
Dylan ging derweilen zu dem Bach, der am Südhang seines Landes dahinsprudelte, füllte den Eimer und trug ihn zum Haus zurück. Dabei achtete er darauf, nur ja kein Wasser über seine Füße zu schütten, um nicht den ganzen Tag in eiskalten Schuhen arbeiten zu müssen. Am Kamin füllte er einen dreibeinigen Topf und setzte ihn über das Feuer. Wenn Sarah kam, würde das Wasser sieden, und sie konnte die morgendliche Hafergrütze zubereiten.
Vom Malzfass her ertönte Sinanns schläfrige Stimme. »Ich wünsche dir einen guten Morgen, mein Freund.« Sie saß mit gekreuzten Beinen auf dem Deckel und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand des Viehstalles.
Dylan grunzte nur.
»Och, ich sehe schon, du hattest wieder diesen Traum.« Ihr kurzes weißes Haar war zerzaust, und sie fuhr mit den Fingern durch die Strähnen, bis es wieder wie eine fedrige Kappe um ihren Kopf fiel.
Leise, um die Kinder nicht zu wecken, erwiderte er: »Mir geht es gut. Wenn ich diesen Tag durchstehe, wache ich vielleicht morgen früh auf, ohne mir vorzukommen, als hätte ich einen zweistündigen Boxkampf hinter mir.« Er empfand die tägliche Routine immer wieder als beruhigend; es war, als würde er langsam, aber stetig einen Fuß vor den anderen setzen, um schließlich zu irgendeinem Ziel zu gelangen.
»Eine lebendige Frau würde dir bestimmt über deinen Kummer hinweghelfen.« Sinanns Stimme klang für seinen Geschmack viel zu vergnügt.
Seufzend stocherte er im Feuer herum, um die Flammen anzufachen, dann hockte er sich auf die Fersen und behielt das Feuer im Auge. »Heute nicht, Tinkerbell, bitte. Ich bin wirklich nicht in der Stimmung, mir deine Vorträge anzuhören.« Jeder Bewohner des Tals, auch die lästige Fee - besonders die lästige Fee - wartete darauf, dass er Sarah heiratete. Dank eines Liebeszaubers, den Sinann über sie verhängt hatte, war die arme Frau seit seiner Ankunft in diesem Jahrhundert unsterblich in ihn verliebt. Als Dylan dies aufgefallen war, hatte er sich aber bereits in Cait verliebt.
Sarah, verblendet, wie sie war, hatte die Nachricht von seiner Verlobung mit Cait schlecht verkraftet, doch zu ihren Gunsten sprach, dass es danach keinen weiteren Gefühlsausbruch mehr gegeben hatte. Während der Zeit seiner Ehe war sie ihm und Cait eine gute Freundin gewesen, und seit Caits Tod arbeitete sie ein paar Stunden am Tag als Haushälterin und Kindermädchen für ihn. Ihre Beziehung war von Höflichkeit und Respekt voreinander geprägt, mehr nicht, und ihm gefiel das so. Keine enge Bindung, keine Verantwortung, und er konnte in Ruhe versuchen, über Caits Verlust hinwegzukommen und sich daran zu gewöhnen, sein Leben ohne sie führen zu müssen.
»Sie kümmert sich ja schon um deinen Haushalt, wäre es da nicht an der Zeit, dass du ihr gestattest, sich auch ein bisschen um dich selbst zu kümmern?«
»Tink ...«
»Sie liebt dich immer noch, mein Freund.«
Dylan rückte resigniert. »Ich weiß.« Er hielt eine Hand über den Topf, um zu sehen, ob das Wasser bald kochen würde. Es dachte gar nicht daran.
»Du kannst es dir nicht leisten, auf Dauer zwei Familien zu unterhalten.«In diesem Punkt musste er Sinann Recht geben. Sarahs Dienste waren teuer zu
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