Die Revolution der Ameisen
Widerstand leisteten.
»Nun gut, dann kesseln Sie sie ein, aber greifen Sie nicht mehr an. Solange diese Revolte auf das Gymnasium beschränkt bleibt, stellt sie kein großes Problem dar. Wir müssen nur um jeden Preis vermeiden, daß sie um sich greift.«
Im Schulhof gab Julie die Devise aus: »Keine Gewalt! Nichts zerstören! Wir müssen uns anständig verhalten!«
Sie wollte ihrem Geschichtslehrer unbedingt beweisen, daß eine gewaltlose Revolution möglich war.
109. ENZYKLOPÄDIE
Utopie von Rabelais: Im Jahre 1532 legte François Rabelais seine persönliche Vision der idealen utopischen Stadt vor, indem er in seinem Werk Gargantua die Abtei von Thélème schilderte.
Dort gibt es keine Herrschenden, denn, so Rabelais: »Wie könnte man einen anderen beherrschen, wenn man nicht einmal sich selbst beherrschen kann.« Die Thelemiten handeln folglich ›nach ihrem freien Willen‹, und ihre Devise lautet: »Tu, was du willst.« Damit die Utopie erfolgreich ist, werden die Mitglieder sorgfältig ausgesucht. Zugelassen sind nur Männer und Frauen aus guten Familien, die gebildet, tugendhaft, aufgeschlossen, schön und ›von angenehmem Wesen‹ sind. Frauen treten mit zehn Jahren in die Abtei ein, Männer mit zwölf.
Jeder kann machen, was er will: arbeiten, faulenzen, trinken, der Lust frönen oder sich anderweitig amüsieren. Uhren gibt es nicht. Man steht auf, wann man will, man ißt, wenn man Hunger hat. Hetze, Streit und Gewalt sind verpönt. Schwere Arbeiten werden von Dienstboten und Handwerkern verrichtet, die außerhalb der Abtei untergebracht sind.
Rabelais hat seine utopische Stadt genau beschrieben. Die Abtei sollte am Ufer der Loire erbaut werden, im Wald von Port-Huault. Sie sollte 9332 Zimmer haben, aber keine Schutzmauern, denn ›Mauern führen nur zu Verschwörungen‹.
Sechs runde Türme von 60 Schritt Durchmesser, jeweils zehn Stockwerke hoch, würden sie überragen; mehrere Bibliotheken und ein großer Park mit Labyrinth und Brunnen gehörten dazu.
Rabelais war kein Narr. Er wußte, daß seine ideale Abtei durch demagogisches Verhalten , absurde Lehren, Zwietracht oder auch nur durch irgendwelche Bagatellen zerstört werden könnte, aber er war überzeugt, daß ein Versuch sich trotzdem lohnen würde.
EDMOND WELLS,
Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Band III
110. EINE SCHÖNE NACHT
Nr. 103 kann nicht schlafen.
Schon wieder eine schlaflose Nacht, denkt sie. Die Geschlechtslosigkeit hat auch Vorteile, und dazu gehört zweifellos eine ungestörte Nachtruhe. Sie hebt den Kopf, richtet ihre Fühler auf und entdeckt einen Lichtschein. Davon ist sie also aufgewacht! Es ist kein Sonnenaufgang, denn das Licht kommt aus dem hinteren Teil des Schlangennests.
Sie läuft darauf zu.
Einige Ameisen haben sich um die Glut geschart, die ihnen den Sieg beschert hat, und sind offenbar fasziniert vom Feuer.
Eine Ameise meint allerdings besorgt, man solle es vorsichtshalber löschen. Die Prinzessin macht ihr klar, sie hätten nur die Wahl zwischen ›der Technologie und ihren Risiken‹ und ›der Unwissenheit durch Ängstlichkeit‹.
Nr. 7 nähert sich, aber sie interessiert sich nicht für das Feuer, sondern für die tanzenden Schatten der Ameisen an den Wänden des Schlangennests. Sie versucht mit ihnen Kontakt aufzunehmen, und als sie nicht reagieren, befragt sie Nr. 103, die antwortet, dieses Phänomen gehöre zur Magie des Feuers.
»Das Feuer erschafft dunkle Zwillinge von uns, die an den Wänden haften bleiben.«
Nr. 7 will wissen, was diese seltsamen Zwillinge fressen, und die Prinzessin erwidert: »Nichts. Sie imitieren nur alle Gesten ihres Zwillings. Etwas anderes ist ihnen nicht möglich.«
Morgen könnten sie sich ausführlich über alles unterhalten, fährt sie fort, aber jetzt wäre es vernünftiger, zu schlafen, um für die Reise Kräfte zu sammeln.
Auch Prinz Nr. 24 kann nicht schlafen. Dies ist die erste Nacht seines Lebens, in der er wegen der warmen Glut wachbleiben kann, und das will er ausnutzen.
»Erzähl mir mehr von den Fingern«, bittet er die Prinzessin.
111. DIE REVOLUTION KOMMT IN GANG
Die Demonstranten wollten um ein großes Lagerfeuer herum tanzen. Reisig fanden sie im Gärtnerschuppen. Sie schichteten es auf dem Rasen auf, und einige junge Leute schleppten Papier an, aber das Papier verkohlte, bevor das Reisig Feuer fangen konnte, und der Wind blies die winzigen Flammen aus.
Unter den 800 Personen, die mutig der Polizei
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