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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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herausfinden.«
    »Hör mal, Julie, bist du während der Verfolgungsjagd verletzt worden?« wechselte Zoé unerwartet das Thema.
    »Nein, warum?«
    »Du hast einen roten Fleck auf deinem Kostüm.«
    Julie stellte fest, daß Zoé recht hatte. Da war wirklich ein großer Blutfleck. Aber warum hatte sie dann keinen Schmerz verspürt?
    »Das ist keine Verletzung, sondern etwas ganz anderes«, sagte Francine und zog Julie auf den Korridor hinaus. Zoé folgte ihnen.
    »Du hast einfach deine Regel bekommen«, erklärte die Organistin nüchtern.
    »Meine – was?«
    »Deine Regel«, wiederholte Zoé. »Weißt du nicht, was das ist?«
    Julie erstarrte und hatte das Gefühl, von ihrem eigenen Körper verletzt worden zu sein. Dieses Blut war ein Beweis, daß man ihre Kindheit ermordet hatte. Nun war alles aus!
    Ausgerechnet in einem Augenblick, in dem sie glücklich gewesen war, hatte ihr Organismus sie verraten. Er konfrontierte sie mit dem Schlimmsten, was sie sich überhaupt vorstellen konnte: mit der Verpflichtung, erwachsen zu werden.
    Sie riß den Mund weit auf und schnappte nach Luft. Ihre Brust hob sich mühsam. Ihr Gesicht lief rot an.
    »Schnell!« rief Francine den Jungen zu. »Julie hat einen Asthmaanfall. Sie braucht Ventolin.«
    Sie wühlten in Julies Rucksack herum, fanden das Aerosol und schoben ihr das Mundstück zwischen die Lippen, doch obwohl sie fest drückten, kam kein Ventolin heraus. Die Dose war leer.
    Julie keuchte. Sie bekam kaum noch Luft.
    Luft – die erste Sucht, der jeder Mensch verfällt. Sobald die Lungen sich gleich nach der Geburt damit füllen, sobald man seinen ersten Schrei ausstößt, kann man sein Leben lang nicht mehr darauf verzichten. Vierundzwanzig Stunden am Tag braucht der Mensch ununterbrochen Luft. Möglichst frische Luft.
    Zoé rannte auf den Hof hinaus und fragte, ob jemand Ventolin bei sich hätte. Nein!
    David wählte die Nummern des Roten Kreuzes und der Notarztzentrale, aber alle Leitungen waren besetzt. »Irgendeine Apotheke hier im Viertel muß doch Nachtdienst haben«, fiel Francine ein.
    »Ji-woong, du begleitest sie«, schlug David vor. »Du bist der Stärkste von uns und kannst sie notfalls tragen, falls sie es allein nicht bis zur Apotheke schafft.«
    »Aber wie sollen wir rauskommen? Vorne und hinten sind Polizisten postiert.«
    »Es gibt noch eine Tür«, sagte David. »Kommt mit.«
    Er führte sie in den Probenraum und schob einen Schrank beiseite, hinter dem eine Tür zum Vorschein kam.
    »Ich habe sie neulich zufällig entdeckt. Der Gang muß in den Keller eines Nachbarhauses führen.«
    Julie gab jämmerliche Laute von sich, betrat aber trotzdem, auf Ji-woongs Schulter gestützt, den unterirdischen Gang, der sich bald verzweigte. Im linken Teil stank es nach Kanalisation, im rechten nach Keller. Sie gingen nach rechts.

112. AM FEUER
    Im Feuerschein erzählt Nr. 103 von den Fingern, von ihren Sitten, von ihrer Technologie, von ihrem Fernsehen.
    »Vergiß das weiße Schild nicht, das den Tod ankündigt«, ruft Nr. 5 ihr ins Gedächtnis.
    Die roten Ameisen zittern, als sie hören, daß ihrer Geburtsstadt die Zerstörung droht. Doch trotz dieser Gefahr ist Nr. 103 davon überzeugt, daß die Finger für die Ameisenzivilisation sehr nützlich sein könnten. Der Sieg, den sie mit Hilfe des Feuers über die zahlenmäßig weit überlegenen Zwerginnen errungen haben, bestärkt sie nur noch mehr in ihrem Glauben.
    Zugegeben, sie kann mit einem Hebel nicht gut umgehen, und sie hat keine Ahnung, wie ein Katapult funktioniert. Doch das ist nur eine Frage der Zeit. Wenn die Finger zur Kooperation mit den Ameisen bereit sind, wird sie bald alles verstehen, sogar die Kunst, den Humor und die Liebe.
    » Ist es nicht gefährlich, Kontakte zu den Fingern zu knüpfen?« fragt Nr. 6, die sich immer noch den Beinstumpf reibt.
    Nein, erwidert Nr. 103 selbstbewußt, denn die Ameisen seien schlau genug, um sie zähmen zu können.
    Nr. 24 hebt einen Fühler. »Hast du mit ihnen auch über Gott gesprochen?«
    Gott? Alle wollen wissen, was das ist. Eine Maschine? Ein Ort? Eine Pflanze?
    Nr. 24 erzählt ihnen, früher hätten unweit der Stadt Bel-o-kan Finger gelebt, die sich mit den Ameisen unterhalten konnten, und diese Finger hätten ihnen weisgemacht, sie wären ihre Herren und Schöpfer. Sie hätten von den Ameisen blinden Gehorsam verlangt, unter dem Vorwand, sie selbst wären allmächtig, sie wären die ›Götter‹ der Ameisen.
    Alle Ameisen rücken näher heran.
    Aber was heißt

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