Die Revolution der Ameisen
Königin Belo-kiu-kiuni, und sie verbot jede Religionsausübung in ihrer Stadt.
Daraufhin flüchtete Nr. 23 mit einer kleinen Schar von Getreuen ins unterste Stockwerk der Metropole, wo sie weiterhin die frohe Botschaft verkündete. Die Gläubigen hatten den Kreis als Symbol gewählt, denn dieses Bild hatten die Ameisen vor Augen, bevor sie von den Göttern zerquetscht wurden.
Jetzt weiß die Prinzessin wenigstens, was die Kreise auf den Gängen und um die Leiche der Königin herum zu bedeuten haben.
Die hinter Nr. 23 stehenden Ameisen psalmodieren:
»Die Finger sind unsere Götter.«
Nr. 103 und ihre Begleiterinnen sind einfach fassungslos. Da wollten sie nun bei ihren Artgenossen Interesse an den Fingern wecken, und diese Nr. 23 hat das längst geschafft!
Nr. 24 will wissen, warum Bel-o-kan wie ausgestorben wirkt.
Nr. 23 erklärt, die neue Königin Belo-kiu-kiuni sei schließlich dahintergekommen, daß die Gläubigen in den Katakomben immer noch ihren Kult ausübten, und daraufhin habe man sie erbarmungslos verfolgt. Viele Ameisen seien als Märtyrerinnen gestorben.
Als dann die Revolutionsarmee von Nr. 103 mit dem Feuer auftauchte, nutzte Nr. 23 die günstige Gelegenheit aus, drang ins königliche Gemach ein und ermordete die eierlegende Königin. Ihrer Königin beraubt, begingen alle Belokanerinnen, die nicht dem Feuer zum Opfer gefallen waren, kollektiven Selbstmord, indem sie ihren Herzschlag anhielten. In der gespenstischen Hauptstadt halten sich also nur noch die Gottgläubigen auf.
Nr. 23 schlägt vor, Revolutionäre und Gläubige sollten gemeinsam eine neue Ameisenkommunität aufbauen, die auf der Verehrung der Finger basiere.
Prinzessin Nr. 103 und Prinz Nr. 24 teilen den religiösen Eifer der Prophetin zwar nicht, sind aber froh, daß ihnen weitere Kämpfe erspart bleiben.
»Das weiße Schild vor Bel-o-kan bedeutet große Gefahr«, warnt Nr. 103. »Hier können wir nicht bleiben.«
Die Gläubigen vertrauen ihr, und es wird beschlossen, die ohnehin verwüstete Metropole sofort zu verlassen.
Kundschafterinnen sollen nach einem anderen Baumstumpf suchen, der sich zum Bau einer neuen Metropole eignet, und zum Glück finden sie bald einen, etwa eine Stunde Fußmarsch von Bel-o-kan entfernt. Nr. 103 meint, diese Distanz reiche bestimmt aus, um vor der Katastrophe in der Umgebung des weißen Schilds sicher zu sein.
Praktischerweise haben Würmer den Baumstumpf schon mit Kanälen durchzogen, und es gibt sogar Platz für eine Verbotene Stadt und für das königliche Gemach. Um diesen Stumpf soll möglichst schnell das neue Bel-o-kan errichtet werden.
Nr. 103 schlägt vor, eine ganz moderne Stadt mit breiten Straßen zu bauen, damit man Nahrung und sämtliche Gegenstände, die für die neuen Technologien benötigt werden, leichter transportieren kann. Sie hält einen zentralen Schornstein für unerläßlich, damit der Rauch aus den Labors der Feuerexperimentierer abziehen kann, ohne den ganzen Bau zu verpesten. Ferner schweben ihr Kanäle vor, die Regenwasser zu den Ställen der Blattläuse, zu den Pilzkulturen und Labors führen könnten.
Als einzige fortpflanzungsfähige Ameise von Bel-o-kan soll Nr. 103 die neue Königin der Metropole werden, und damit fällt ihr auch die Oberhoheit über die ganze Föderation roter Ameisen zu, die aus 64 Städten besteht.
Erstmals in der Geschichte von Bel-o-kan wird eine noch nicht befruchtete Prinzessin zur Königin auserkoren, und weil von ihr vorerst keine Nachkommen zu erwarten sind, probiert man ein neues Konzept aus: die ›offene Stadt‹. Die Prinzessin hält es für ein interessantes Experiment, anderen Ameisenarten Wohnrecht in der Metropole zu gewähren, weil sie sich davon eine kulturelle Bereicherung erhofft.
Aber ein solcher Schmelztiegel läßt sich nicht von einem Tag auf den anderen verwirklichen. Vorerst bleibt jede Gruppe innerhalb des Baus lieber für sich. Die schwarzen Ameisen lassen sich im Südosten der untersten Etagen nieder, die gelben im Westen der mittleren Etagen, die Ernteameisen in den obersten Stockwerken, um möglichst schnell an ihrem Arbeitsplatz zu sein, und die Weber im Norden.
Man macht sich in der neuen Hauptstadt sofort ans Werk, um die neuen technischen Errungenschaften weiter zu vervollkommnen, aber natürlich geht das auf die typische Ameisenarbeitsweise vor sich, ohne logische Planung: Man probiert einfach alles aus, was einem in den Sinn kommt, und schaut sich hinterher das Resultat an.
Die Feuerforscher richten
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