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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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an, sie zu kitzeln, bis sie vor Lachen zu ersticken glaubte. Endlich bereitete Ji-woong dem ausgelassenen Treiben ein Ende.
    »Halten wir jetzt endlich unser Pow-wow ab!«
    Er füllte einen Becher mit Met und alle nahmen reihum einen Schluck davon. Zusammen trinken tat gut. Er gab jedem einen Keks. Zusammen essen tat gut.
    Sie reichten einander die Hände, und in diesem Kreis fühlte Julie sich wunderbar geborgen.
    Kann man sich vom Leben mehr wünschen als solche Augenblicke, wo man mit anderen völlig eins wird? dachte sie.
    Aber muß man unbedingt eine Revolution machen, um so etwas zu erfahren?

152. KLEINE SCHLACHT AM ABEND
    Im neuen Bel-o-kan erlebt die Technik einen ungeheuren Aufschwung, doch gleichzeitig wollen die Gottgläubigen immer mehr Einfluß ausüben. Sie begnügen sich nicht mehr damit, überall ihre Kreise zu zeichnen, sondern markieren auch alle Wände mit den Duftbotschaften ihrer Religion.
    Am zweiten Tag der Regentschaft von Prinzessin Nr. 10\1 hält Nr. 23 eine Predigt, in der sie erklärt, ihr Ziel sei es, alle Ameisen der Welt zur Verehrung der Götter zu bekehren, und deshalb müßten hartnäckige Gottesleugner notfalls umgebracht werden.
    Ihre Anhänger werden immer aggressiver. Wer nicht bereit sei, die Götter anzubeten, den würden die Finger zerquetschen, und sollten sie nicht sofort ins Geschehen eingreifen, würden die gläubigen Ameisen ihnen diese Arbeit abnehmen.
    Dadurch entsteht in der neuen Metropole eine gespannte Atmosphäre. Ein tiefer Abgrund klafft zwischen den
    ›technologischen‹ Ameisen, die die Leistungen der Finger bewundern und es ihnen gleichtun wollen, und den ›mystischen‹ Ameisen, die nur beten und es als Blasphemie betrachten, die Großtaten der Götter nachahmen zu wollen.
    Die Prinzessin ist überzeugt, daß es früher oder später zum Konflikt kommen wird, weil die Gottgläubigen viel zu intolerant und selbstsicher sind. Sie möchten nichts Neues lernen, sie haben nur vor, ihre Umgebung zu bekehren.
    Trotzdem will Nr. 103 einen Bürgerkrieg vermeiden, solange es irgend möglich ist.
    Die zwölf Kundschafterinnen, der Prinz und die Prinzessin halten im königlichen Gemach eine Besprechung ab. Nr. 2\1 bleibt zuversichtlich. Er war gerade in den Labors und ist begeistert von den Fortschritten. Die Glut braucht jetzt nicht mehr in schweren Kieselsteinen transportiert zu werden; leichte Behälter aus geflochtenen Blättern, die mit Erde ausgekleidet werden, haben sich als genauso brandsicher erwiesen. Nr. \1 weist darauf hin, daß die Gottgläubigen kein Interesse an den Wissenschaften haben, und darüber ist sie sehr beunruhigt.
    Wenn ein Ingenieur behauptet, Feuer könne Holz härten, so muß er das beweisen können, und wenn sein Experiment mißlingt, büßt er seine Glaubwürdigkeit ein; doch wenn eine Mystikerin behauptet, die Finger seien allmächtig und hätten die Ameisen erschaffen, kann man sie nicht durch irgendwelche Experimente vom Gegenteil überzeugen, und auch mit vernünftigen Argumenten ist den Gläubigen nicht beizukommen.
    »Trotzdem ist die Religion vielleicht eine notwendige Entwicklungsphase aller Zivilisationen«, meint Nr. 103.
    Nr. 5 widerspricht. Man müsse Wünschenswertes von den Fingern übernehmen, aber schädliche Dinge – wie etwa die Religion – von sich fernhalten. Doch wie soll man das bewerkstelligen? Wenn es schon am zweiten Tag des neuen Staates zu Auseinandersetzungen mit den Gläubigen kommt, wird die Lage bestimmt bald eskalieren. Man muß ihnen Einhalt gebieten, solange es noch nicht zu spät ist. Soll man sie töten?
    Nein, man kann Schwestern doch nicht töten, nur weil sie sich einbilden, die Finger seien Götter.
    Soll man sie der Stadt verweisen?
    Vielleicht wäre es wirklich am besten, wenn sie irgendwo ihren eigenen Staat bilden würden, fern von Bel-o-kan, denn ihre Intoleranz und ihr Mystizismus sind nun einmal unvereinbar mit der Aufgeschlossenheit für alles Neue, die für die ›Revolution der Finger‹ kennzeichnend ist.
    Doch bevor die vierzehn Ameisen irgendeinen Entschluß fassen können, werden sie durch dumpfes Pochen gegen die Stadtmauern aufgeschreckt.
    Alarm!
    Ameisen rennen in alle Richtungen und verströmen ein durchdringendes Duftsignal:
    Die Zwergameisen greifen uns an!
    Prinzessin Nr. 103 hastet auf die Kuppel ihrer Stadt, um die Situation besser einschätzen zu können. Der Feind steht schon so dicht vor Bel-o-kan, daß man kein Feuer und keine Wurfmaschinen mehr einsetzen kann, und die

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