Die Revolution der Ameisen
Händen mit langen Fingern zeigen, letzte Spuren seines einstigen Lebens an Land. Doch als diese Hände sich in Flossen verwandelten, konnte sich der Delphin zwar mit hoher Geschwindigkeit im Wasser bewegen, aber er war nicht mehr in der Lage, Werkzeuge herzustellen. Vielleicht haben wir die unzähligen Gegenstände, die unsere organischen Fähigkeiten ergänzen, nur erfunden, weil wir unserer Umgebung sehr schlecht angepaßt waren. Hingegen ist der Delphin seiner Umgebung perfekt angepaßt, und deshalb braucht er kein Auto, kein Fernsehen, keine Gewehre und keine Computer. Allem Anschein nach haben die Delphine eine eigene Sprache entwickelt, ein akustisches Kommunikationssystem mit einem enormen Schallspektrum. Die menschliche Sprache hat eine Frequenz von 100 bis 5000 Hertz, während die Sprache der Delphine, einen Frequenzbereich von 7000 bis 170000 Hertz umfaßt. Das erlaubt natürlich eine sehr nuancenreiche Ausdrucksweise. Der Direktor des Forschungslabors von Nazareth Bay, Dr. John Lilly, ist davon überzeugt, daß die Delphine seit langem den Wunsch haben, mit uns zu kommunizieren. Sie nähern sich ganz spontan, wenn sie Menschen an Stränden oder in Booten sehen. Sie machen Luftsprünge und pfeifen dabei so, als wollten sie uns etwas erklären. »Manchmal scheinen sie sogar verärgert zu sein, daß kein Mensch sie versteht«, sagt dieser Forscher.
EDMOND WELLS,
Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Band III
163. DER ANGRIFF AUF DAS GYMNASIUM VON FONTAINEBLEAU
Gewalt. Schreie. Flammen. Zerbrochene Gegenstände.
Schwere Schritte. Drohungen. Beschimpfungen. Geballte Fäuste. Nach den Molotowcocktails der Rowdys nun das Tränengas der Polizei.
Die Zelte waren jetzt leer. Die Revolutionäre rannten durch die Gänge des Gymnasiums und bewaffneten sich mit Stöcken, Besen und Konservenbüchsen – mit allem, was ihnen gerade in die Hände fiel. Einige Amazonen, die bei der Verfolgung der Schwarzen Ratten nicht verletzt worden waren, kehrten rasch in die Schule zurück und verteilten Schleudern, die sie in den letzten Tagen mehr oder weniger zum Spaß angefertigt hatten. Doch was ließ sich damit schon gegen eine Polizeitruppe ausrichten? Maximilien hatte seine Männer aufgeteilt: Die einen griffen durch das offene Tor an, doch die meisten waren aufs Dach geklettert und räumten nun systematisch ein Stockwerk nach dem anderen, indem sie die
›Fleischwolftaktik‹ anwandten: sie übten von oben leichten Druck aus, und die Menge flüchtete nach unten.
Der Kommissar überwachte die Einnahme des Gymnasiums vom Balkon eines nahegelegenen Hauses aus und kam sich dabei fast wie Scipio vor, der das brennende Karthago beobachtet. Er wollte nicht wieder den Fehler begehen, seine jungen Gegner zu unterschätzen.
Julie suchte nach den sechs Zwergen – Narcisse, der siebente, war ja nicht mehr da! Endlich fand sie zwei im Informatiklabor; Francine und David wollten gerade die Festplatten aus den Computern herausnehmen.
»Wir müssen unsere Programme in Sicherheit bringen«, erklärte David, »denn wenn sie der Polizei in die Hände fallen, kann sie unsere ganzen Filialen und Handelsbeziehungen blockieren.«
»Und wenn wir mit den Platten geschnappt werden?« wandte Julie ein. »Das wäre noch viel schlimmer.«
»Vielleicht sollten wir unser ganzes Material an einen befreundeten ausländischen Computer transferieren. Damit der Geist der ›Revolution der Ameisen‹ einen vorübergehenden Zufluchtsort hat.«
»Die Studenten der biologischen Fakultät von San Francisco unterstützen uns, und sie haben einen Computer mit enormer Speicherkapazität. Dort wären unsere ›Memoiren‹ gut aufgehoben«, meinte David.
Sie riefen die amerikanischen Studenten an, die sofort einverstanden waren, und begannen damit, ihre Programme zu überspielen. Erst jetzt wurde ihnen bewußt, was sie in den letzten Tagen geleistet hatten. Allein das ›Fragenzentrum‹ hätte in Buchform einen Umfang von Hunderten dicker Enzyklopädien gehabt!
Auf dem Korridor waren schwere Schritte zu hören. Die Polizei kam immer näher.
Francine erhöhte das Tempo der Computer von 56000 Bits pro Sekunde auf 112000 Bits.
Fäuste hämmerten gebieterisch gegen die abgeschlossene Tür. David und Julie schoben rasch Möbel davor, um die Ordnungshüter aufzuhalten, bis Francine mit der Überspielung fertig war.
»So, das hätten wir!« rief sie zufrieden. »Unser gesamtes Material ist jetzt 10000 Kilometer von hier entfernt in
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