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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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auch ihre Haltung beeinflußt: Sie zog die Schultern nicht mehr ein und trug den Kopf hoch. Sogar ihr Gang war anmutiger geworden.
    Julie streifte rasch ihre Kleider ab und stand nackt vor dem jungen Koreaner, dem seine Erregung deutlich anzusehen war.
    Er ließ sich auf eine Matratze fallen und zog sie mit sich, und sie wehrte sich nicht, denn sie hatte nur den einen Wunsch, ihn so leidenschaftlich zu küssen wie in der Nachtbar.
    »Du bist schön … wunderschön«, stammelte der junge Mann. »Und du riechst so gut … wie eine Blume. Seit ich dich gesehen habe, bin ich …«
    Sie brachte ihn mit einem Kuß zum Schweigen. Ein Luftzug öffnete das Fenster und löschte die Kerzen aus. Ji-woong wollte aufstehen, um sie wieder anzuzünden, aber sie hielt ihn fest. »Nein, ich habe Angst, auch nur eine Sekunde Zeit zu verlieren. Ich befürchte, daß die Erde sich auftun könnte, um mich daran zu hindern, endlich zu erleben, worauf ich so lange verzichtet habe … Was macht es schon aus, wenn wir uns im Dunkeln lieben?«
    Das offene Fenster schlug gegen die Wand, und die Scheibe klirrte laut.
    Sehen konnte Julie jetzt nichts mehr, aber ihr blieben ja noch andere Sinne. Sie tastete nach Ji-woongs Hose und schmiegte sich an ihn. Als ihre zarte Haut mit seiner rauheren in Berührung kam, hatte sie das Gefühl, plötzlich elektrisiert zu sein.
    Ji-woong wölbte seine Hände um ihre Brüste, und dadurch wurde ihr zum erstenmal bewußt, wie straff und weich zugleich sie waren. Sie atmete schneller und warf den Kopf zurück.
    Langsam, ganz langsam näherten sich ihre Lippen dem Mund des Koreaners …
    Plötzlich wurde ihre Aufmerksamkeit abgelenkt. Ein riesiger Komet flog am offenen Fenster vorbei, ein Komet mit Feuerschweif. Aber es war kein Komet, sondern ein Molotowcocktail.
     

158. ENZYKLOPÄDIE
     
    Schamanismus: Fast alle Kulturen der Menschheit kennen den Schamanismus. Die Schamanen sind weder Anführer noch Priester, weder Zauberer noch Weise. Ihre Aufgabe besteht einfach darin, den Menschen mit der Natur zu versöhnen.
    Bei den Indianern von Surinam dauert der erste Abschnitt der Ausbildung eines Schamanen 24 Tage, aufgeteilt in vier Teile mit jeweils drei Tagen Unterricht und drei Tagen Ruhe. Die Lehrlinge – meistens sechs Jugendliche in der Pubertät, weil der Charakter in diesem Alter noch biegsam ist – werden in Traditionen, Gesänge und Tänze eingeführt. Sie beobachten und imitieren die Bewegungen und Laute der Tiere, um sie besser verstehen zu können. Während dieser Grundausbildung essen sie fast nichts, kauen aber Tabakblätter und trinken Tabaksaft. Fasten und Tabak rufen hohes Fieber und andere Beschwerden hervor. Außerdem müssen sie während dieser Initiation lebensgefährliche körperliche Anstrengungen unternehmen, die ihr persönliches Empfinden vernichten sollen. Nach einigen Tagen dieser harten Ausbildung erleben die Jugendlichen einen Zustand ekstatischer Trance, in dem sie bestimmte Kräfte ›sehen‹ können.
    Die Initiation in den Schamanismus dient der Anpassung des Menschen an die Natur. Bei großer Gefahr paßt man sich entweder an, oder aber man stirbt. Bei großer Gefahr beobachtet man, ohne alles durch den Intellekt zu filtern. Man lernt es, zu verlernen.
    Der zweite Abschnitt der Ausbildung dauert drei Jahre.
    Während dieser Zeit muß der Jugendliche allein im Wald leben und sich selbst ernähren. Wenn er das überlebt, kehrt er erschöpft, schmutzig und halb irr ins Dorf zurück. Dort nimmt sich ein alter Schamane seiner an und versucht, in ihm die Fähigkeit zu wecken, wirre Halluzinationen in kontrollierte
    ›ekstatische‹ Zustände umzuformen.
    Es ist paradox, daß diese Erziehung, bei der sich der Mensch zeitweilig in ein wildes Tier verwandelt, aus dem Schamanen letzten Endes einen Super-Gentleman macht. Nach abgeschlossener Ausbildung ist er seinen Mitbürgern an Selbstbeherrschung, intellektuellen und intuitiven Fähigkeiten und moralischer Erkenntnis weit überlegen. Die jakutischen Schamanen in Sibirien erreichen ein geistiges Niveau, das mindestens dreimal so hoch ist wie das ihrer Stammes-genossen.
    Professor Gérard Amzallag, Autor des Buches Philosophie biologique, vertritt die Ansicht, daß die Schamanen nicht nur die Hüter der mündlichen Überlieferung, sondern auch deren Verfasser sind. Diese Mythen, Heldensagen und Lieder bilden die Grundlage der Dorfkultur.
    Heutzutage werden während der Initiation immer häufiger Narkotika und halluzinogene Pilze

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