Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
Vom Netzwerk:
auf die Suche nach weiteren Nerven, die genauso interessante Reflexbewegungen hervorrufen würden. Er löste große Hautfetzen ab und legte graue Muskeln frei. In wenigen Minuten hatte er den noch lebenden Frosch vollständig gehäutet und fand immer neue Nerven, die Zuckungen auslösten.
    Zwei Mitschüler gratulierten ihm und bewunderten sein Werk.
    Jene Ungeschickten, die entweder zu wenig Äther verwendet oder aber die Nadeln zu zaghaft benutzt hatten, mußten verdutzt erleben, wie ihre Frösche plötzlich davonsprangen, sogar wenn die Muskeln am rechten Bein schon freigelegt waren. Mit Nadeln gespickte Frösche hüpften oder humpelten durch den Biologiesaal und riefen Gelächter, aber auch einige mitleidige Bemerkungen hervor. Julie schloß vor Entsetzen die Augen. Sie konnte diesen Anblick einfach nicht ertragen. Wortlos verließ sie den Biologiesaal, das Glas mit ihrem Frosch in der Hand.
    Sie rannte durch den Schulhof, vorbei an der Grünanlage, in deren Mitte an einem Mast die Fahne mit der Devise des Gymnasiums wehte:
    AUS INTELLIGENZ ENTSPRINGT VERNUNFT.
    In der Ecke, wo die Müllcontainer standen, stellte sie das Glas ab und beschloß, Feuer zu legen, doch das Blatt Papier, das sie mit ihrem Feuerzeug anzündete und in den Container warf, verkohlte nur, ohne weiteren Schaden anzurichten.
    ›Da warnen die Zeitungen nun ständig, daß eine achtlos weggeworfene Zigarettenkippe genügt, um viele Hektar Wald zu vernichten, und ich schaffe es nicht einmal, mit Papier und Feuerzeug einen Müllcontainer in Brand zu setzen!‹ dachte sie wütend, ohne jedoch so leicht aufzugeben.
    Endlich züngelten kleine Flammen empor. »Dieses Feuer ist schön, und es wird dich rächen, kleiner Frosch«, murmelte sie.
    Sie betrachtete den brennenden Müllcontainer. Stinkende Abfälle gingen in Flammen auf – rot, gelb und weiß, dahinter die rauchgeschwärzte Mauer.
    »Leb wohl, grausames Gymnasium«, seufzte Julie zufrieden und trat den Rückzug an. Sie ließ den Frosch frei, der sich mit großen Sprüngen in einem Gully versteckte, und blieb in einiger Entfernung stehen, weil sie wissen wollte, ob die ganze Schule in Flammen aufgehen würde.

36. AM FUSSE DER FELSWAND
    Geschafft!
    Die Ameisen sind endlich am Fuß der Felswand angelangt.
    Plötzlich bekommt Nr. 103 Schluckauf und bewegt krampfhaft ihre Fühler. Die anderen nähern sich besorgt. Sie muß krank sein. Das Alter … Nr. 103 ist drei Jahre alt, und das ist die durchschnittliche Lebensdauer einer geschlechtslosen Ameise.
    Ihr Leben neigt sich also dem Ende zu. Nur die fortpflanzungsfähigen Ameisen, genauer gesagt die Königinnen, können bis zu fünfzehn Jahre alt werden.
    Nr. 5 ist sehr beunruhigt. Sie befürchtet, daß Nr. 103 sterben könnte, bevor sie alles über die Welt der Finger und über die Gefahr des weißes Schilds erzählt hat. Es ist ungemein wichtig, mehr darüber zu erfahren, und deshalb wäre es ein schrecklicher Verlust für die gesamte Ameisenzivilisation, wenn sie jetzt stürbe. Nr. 5 läßt ihr zur Stärkung eine Trophallaxie aus Klopfkäfern zukommen. Essen vermag zwar den Alterungsprozeß nicht aufzuhalten, wirkt aber immer tröstlich.
    »Wir müssen gemeinsam nach einer Lösung suchen, um Nr.
    103 zu retten«, befiehlt sie.
    In der Welt der Ameisen glaubt man, daß es für jedes Problem eine Lösung gibt, und wenn man keine findet, so bedeutet das nur, daß man nicht gründlich genug nachgedacht hat.
    Nr. 103 verströmt jetzt einen unangenehmen Geruch nach Oleinsäure, der für Sterbende typisch ist.
    Nr. 5 ruft ihre Schwestern zu einer Absoluten Kommunikation zusammen: Man bildet einen Kreis und berührt einander mit den Fühlerspitzen. Auf diese Weise kommt es zu einer totalen Gedankenübertragung, so als wären die zwölf Gehirne zu einem einzigen verschmolzen.
    Frage: Wie kann man die biologische Zeitbombe entschärfen, die diese so wertvolle Kundschafterin bedroht?
    Die verrücktesten Ideen werden vorgebracht. Jede schlägt eine Lösung vor.
    Nr. 6 möchte Nr. 103 mit Wurzeln der Trauerweide aufpäppeln, deren Säure ihrzufolge sämtliche Krankheiten heilt. Man hält ihr aber entgegen, das Alter sei keine Krankheit.
    Nr. 8 schlägt vor, man solle das Gehirn von Nr. 103, das all die wertvollen Informationen enthalte, in einen jungen und gesunden Körper transplantieren, beispielsweise in den von Nr.
    14, die von dieser Idee aber nicht angetan ist. Auch die anderen verwerfen diesen Vorschlag. Viel zu riskant, meinen alle.
    »Warum nicht

Weitere Kostenlose Bücher