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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Kurve stoßen sie plötzlich auf Klopfkäfer. Diese kleinen Insekten, eine Art Steinläuse, haben vorstehende Augen und unglaublich zarte Fühler, die man auf den ersten Blick gar nicht sieht.
    Die Klopfkäfer, die an grünen Algen lecken, haben die anrückenden Ameisen nicht bemerkt. Ameisen verirren sich selten in diese Bergwelt, und die Klopfkäfer glaubten bisher, die Steilwand sei ein Gewähr für Ruhe und Sicherheit. Wenn Ameisen sich nun plötzlich auch als Bergsteiger betätigen, kann man sich seines Lebens ja nirgends mehr sicher sein!
    Sie wollen sich unauffällig aus dem Staub machen.
    Trotz ihres fortgeschrittenen Alters verfügt Nr. 103 683 noch über eine erstaunliche Treffsicherheit: Ihre Ameisensäure streckt die flüchtenden Klopfkäfer nieder. Die jungen Kundschafterinnen gratulieren ihr zu diesem Erfolg.
    Der Spähtrupp frißt die Klopfkäfer auf und stellt überrascht fest, daß sie ähnlich saftig sind wie männliche Mücken.
    Genauer gesagt, liegt der Geschmack irgendwo in der Mitte zwischen dem männlicher Mücken und dem grüner Libellen, aber ohne das für letztere typische Mentholaroma.
    Die dreizehn roten Ameisen umrunden neue Blumen: weißes Glaskraut, gestreiften Süßklee und Steinbrech mit winzigen Blüten.
    Ein Stück weiter überfallen sie eine Gruppe Blasenfüßer.
    Diese kleinen Pflanzenfresser mit ausgefransten Flügeln sind sehr knusprig. Sie knacken zwischen den Mandibeln, haben aber leider einen säuerlichen Nachgeschmack.
    An Beute fehlt es hier nicht. Die Kundschafterinnen verspeisen einige purpurne Zünsler – Schmetterlinge, die nicht besonders hübsch, aber sehr wohlschmeckend sind – sowie Ölkäfer, deren Blut und Geschlechtsorgane Cantharidin enthalten, eine für Ameisen sehr anregende Substanz.
    Ihre Fühler flattern an der Felswand im Wind. Nr. 14 schießt mit Säure auf ein orangefarbenes Marienkäferkind mit zwei schwarzen Punkten. Gelbes stinkendes Blut tritt aus dessen Beingelenken hervor.
    Nr. 103 683 bückt sich, um es genauer zu untersuchen. Es handelt sich um ein Täuschungsmanöver. Der Marienkäfer stellt sich tot, aber in Wirklichkeit ist der Säurestrahl an seinem Panzer abgeprallt, ohne ihn auch nur zu verletzen. Die alte Ameise kennt diese Strategie. Manche Insekten sondern eine –
    vorzugsweise übelriechende – Flüssigkeit ab, wenn sie sich in Gefahr glauben, um ihre Feinde abzuschrecken, denn der Gestank verdirbt allen hungrigen Angreifern den Appetit.
    Nr. 103 683 weiß, daß diese künstliche Blutung bald aufhören wird, aber der Vorgang beeindruckt sie dennoch. Sie gibt den anderen zwölf Ameisen zu verstehen, daß dieses Insekt nicht eßbar ist, und gleich darauf setzt das Marienkäferkind seinen Weg fort.
    Doch die Belokanerinnen sind durchaus nicht nur mit Töten und Fressen beschäftigt. Sie sind ständig auf der Suche nach dem besten Weg, schlängeln sich zwischen glatten Steinen hindurch und überqueren schwindelerregende Schluchten, indem sie sich bei den Beinen und Mandibeln fassen und mit ihren Leibern Leitern oder Brücken bilden. Dazu gehört viel gegenseitiges Vertrauen, denn wenn eine Ameise nicht fest genug zupackt, stürzt die ganze lebende Brücke ein.
    Nr. 103 683 ist an solche Anstrengungen nicht mehr gewöhnt. Dort drüben, jenseits vom Ende der Welt, im künstlichen Universum der Finger, war alles in Reichweite ihrer Mandibel.
    Wäre sie nicht aus jener Welt geflüchtet, so wäre sie mittlerweile bestimmt genauso schlaff und träge wie die Finger. Im Fernsehen hat sie ja gesehen, daß sie jede Mühe scheuen. Sie können nicht einmal ihr eigenes Nest bauen. Sie können nicht mehr jagen, um sich Nahrung zu beschaffen, und sie können nicht mehr rennen, um Verfolgern zu entkommen.
    Aber es gibt ja auch keine Tiere mehr, die sie verfolgen würden. Nr. 103 683 denkt an ihr Leben dort drüben zurück.
    Womit hat sie sich die Zeit vertrieben?
    Sie aß tote Nahrung, die vom Himmel fiel, sie starrte in ihren Mini-Fernseher und diskutierte an der Maschine, die ihre Pheromone in hörbare Wörter übersetzte. Essen, fernsehen und an der Maschine namens Telefon diskutieren – das waren auch die drei Hauptbeschäftigungen der Finger.
    Sie hat den zwölf jungen Ameisen nicht alles anvertraut. Es wäre unklug gewesen, ihnen zu sagen, daß die kommunikationswilligen Finger zwar sehr gesprächig, aber offenbar nicht allzu effektiv sind, denn es ist ihnen nicht einmal gelungen, andere Finger davon zu überzeugen, wie interessant es für sie

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