Die Riesen von Ganymed
zwischen Steinen und Geröll nicht weit vom Krater Kopernikus wohlerhalten aufgefunden worden war – hatte das allererste Fundobjekt dargestellt und die Anhaltspunkte geliefert, aus denen man schließlich die Geschichte der Lunarier rekonstruieren konnte.
Es hatte sich herausgestellt, daß die Lunarier in jeder Hinsicht Menschen gewesen waren. Nachdem diese Tatsache unumstößlich feststand, hatte sich im Selbstlauf die Frage nach dem Ursprung dieser Rasse gestellt. Entweder hatten sie ihre Wurzeln als bislang unentdeckte Zivilisation auf der Erde, auf der sie sich vor dem Auftauchen des modernen Menschen entwickelt haben mußten, oder ihr Ursprung lag woanders. Andere Erwägungen schieden aus.
Für lange Zeit jedoch schienen beide Möglichkeiten in den Bereich des Unmöglichen zu gehören. Wenn tatsächlich eine entwickelte Gesellschaft auf der Erde geblüht hätte, wären sicherlich in reichlichem Maße im Laufe der immerhin Jahrhunderte währenden Ausgrabungsarbeiten Zeugnisse davon zutage gefördert worden. Auf der anderen Seite hätte die Annahme eines Ursprunges auf einem anderen Himmelskörper einen Prozeß der Parallelentwicklung vorausgesetzt, was jedoch eine Verletzung der grundlegenden Prinzipien von zufälliger Mutation und natürlicher Selektion bedeutet hätte. Daher durfte es die Lunarier eigentlich gar nicht geben, da sie weder von der Erde noch von einem anderen Ort stammen konnten. Es gab sie jedoch. Die Enträtselung dieses scheinbar unlösbaren Geheimnisses hatte Hunt und Danchekker zusammengeführt und sie, zusammen mit Hunderten von Experten aus allen wichtigen wissenschaftlichen Institutionen der gesamten Welt, über zwei Jahre lang beschäftigt.
»Chris bestand gleich von Anfang an darauf, daß Charlie, und mit ihm die übrigen Lunarier vermutlich ebenfalls, nur von den gleichen Vorfahren abstammen konnte, über die auch wir verfügen.« Hunt redete durch dichten Tabakdunst hindurch, während Shannon aufmerksam zuhörte. »Ich wollte mich mit ihm in dieser Frage nicht anlegen, aber ich konnte den daraus folgernden Schluß nicht nachvollziehen – daß sie aus diesem Grunde sich auf der Erde entwickelt haben mußten. Es hätte in diesem Falle einfach Spuren geben müssen, die jedoch nicht vorhanden waren.«
Danchekker lächelte reuevoll in sich hinein und nippte an seinem Drink. »Ja, in der Tat«, sagte er. »Soweit ich mich entsinne, waren unsere Zusammenkünfte in jenen frühen Tagen durch das ausgezeichnet, was man als einen … äh … gewissen direkten und scharfen Gedankenaustausch bezeichnen könnte.«
Um Shannons Augen zuckte es kurz auf, als er sich die Monate erhitzter Streitgespräche und Reibereien vorstellte, die Danchekker durch seinen sorgsam ausgewählten Euphemismus umschrieben hatte.
»Ich entsinne mich, daß ich seinerzeit darüber gelesen habe«, sagte er nickend. »Aber damals kursierten so viele unterschiedliche Berichte, und so viele Journalisten schrieben konfuses Zeug, daß wir niemals ein klares Bild von dem bekommen haben, was sich tatsächlich hinter all dem Geschreibsel abgespielt hat. Wann haben Sie denn zum erstenmal sicher in Erfahrung gebracht, daß die Lunarier von Minerva kamen?«
»Das ist eine lange Geschichte«, antwortete Hunt. »Die ganze Sache war über eine lange Zeit hinweg in einem unglaublichen Durcheinander. Je mehr wir herausbekamen, desto mehr schien sich alles zu widersprechen. Lassen Sie mich mal überlegen …« Er hielt inne und rieb sich einen Augenblick lang sein Kinn. »Aus allen möglichen Arten von Tests bekamen die Leute überall die unterschiedlichsten Informationsfitzelchen aus den Resten und Überbleibseln der Lunarier zusammen, die sich nach der Entdeckung Charlies fanden. Dann war da natürlich Charlie selbst, sein Raumanzug, sein Rückengepäck und so weiter und alle entsprechenden damit zusammenhängenden Dinge … schließlich die übrigen Bruchstücke von Tycho und anderen Orten. Die einzelnen Informationsteile ergaben allmählich ein zusammenhängenderes Ganzes, und daraus konnten wir allmählich ein erstaunlich vollständiges Bild von Minerva zusammensetzen. So konnten wir mit ziemlicher Sicherheit herausarbeiten, wo sich Minerva befunden haben mußte.«
»Ich war bei der UNWO in Galveston, als Sie zur Navkomm gingen«, erzählte Shannon Hunt. »Damals bekamen Sie eine Menge Rückendeckung. Time hat Ihnen eine Titelgeschichte gewidmet – Der Sherlock Holmes von Houston. Aber bitte – was Sie soeben erzählten,
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