Die Riesin Arachna
mußten eine Weile auf den Fliegenden Teppich warten, so daß sie schon befürchteten, die Formel wirke nicht. Als er dann doch kam, kannte die Freude des Riesenweibs keine Grenzen. Sie sprang auf, begann wie wild um das Feuer herumzutanzen und rief:
»Er kommt! Er kommt wirklich, das Goldstück!«
Sie hüpfte so ungestüm umher, daß es Arkado vorzog, sich hinter einem Stein in Sicherheit zu bringen, um nicht unter ihre stampfenden Füße zu geraten.
Der Teppich verharrte einen Augenblick über ihnen, dann fiel er herab, plumpste Arachna genau auf den Kopf. Die Riesin kam ins Stolpern und krachte zu Boden. Als sie sich aufgerappelt hatte, war ihr Gesicht dunkel von Staub und Schmutz. Doch dieser kleine Unfall störte sie in keiner Weise. Ihre Augen und Zähne blitzten in all dem Schwarz nur umso heller.
»Arkado«, rief die Riesin mit grollender Stimme, »wo steckst du, zum Donnerwetter! Wir wollen zu deinen Leuten fliegen, damit sie was zu essen und zu trinken herbeischaffen. Auch neue Kleidung brauche ich, meine ist nach all den Strapazen ziemlich mitgenommen.«
Der Jäger kam vorsichtig hinter seinem Stein hervor. Bei Arachnas Gebrüll fragte er sich besorgt, ob sie nicht vom Regen in die Traufe geraten waren. Die Tochter Karenas, die bereits mitten auf dem Teppich thronte, war vielleicht nicht besser als ihre Mutter. Immerhin, sie hatte den Großen Schwur geleistet und versprochen, die Zwerge gerecht zu behandeln. Die alte Riesin dagegen…
Wenn ich bloß wüßte, wo Karena jetzt ist? dachte Arkado gleich darauf. Würde mich gar nicht wundern, wenn sie uns eine Falle stellt.
Da er Arachna damit etwas Respekt einzuflößen hoffte, teilte er ihr seine Befürchtungen umgehend mit.
»Wir müssen vorsichtig sein, Herrin«, sagte er, »mit Eurer Mutter ist nicht zu spaßen.«
Diese Worte dämpften den Drang der Riesin, sich als neue Herrscherin aufzuspielen, tatsächlich.
»Was schlägst du vor?« fragte sie, ruhiger geworden.
»Zuerst sollten wir mit dem Fliegenden Teppich die Gegend bei den Mühlen und Siedlungen erkunden«, sagte Arkado, der wieder seinen Platz auf ihrer Handfläche eingenommen hatte.
Arachna war einverstanden. Auf ihr Geheiß hin erhob sich der Teppich und flog auf die Schlucht zu. Sie hielten sich seitlich davon und vernahmen plötzlich Geräusche, die an das Quietschen von Mühlrädern erinnerten.
Ich komme zu spät, dachte Arkado betrübt. Offenbar mußten meine Freunde aufgeben und sich Karena erneut unterwerfen.
Der Teppich nahm jetzt direkten Kurs auf die Wassermühle, denn der Arbeitslärm schien von dort zu kommen. Unvermutet riß die gelbe Nebelschicht unter ihnen auf und gab die Sicht auf das graue Gebäude frei. Doch was heißt grau – so sah sie ja gar nicht mehr aus. Im Gegenteil, die Mühle lag wie ein funkelnder Diamant da, wie ein Zauberstein, dessen Facetten in bunten Regenbogenfarben schillern. Das aber kam von dem Wasser, das nach allen Seiten übers Dach zu Boden stürzte. Es hatte den Nebel vertrieben, den Staub weggewaschen und vermengte sich nun mit den Sonnenstrahlen. Ein farbenprächtiges Bild! Arkados Angst jedenfalls war auf einmal wie weggeblasen, und er begriff, daß die Taureker ein Mittel gefunden hatten, sich gegen Karenas Gelben Nebel zur Wehr zu setzen.
»Auf so einen grandiosen Einfall kann nur Antreno gekommen sein, einer unserer Stammesältesten«, rief er laut. Eine ungeheure Freude hatte ihn ergriffen, gepaart mit dem Stolz auf das ganze Zwergengeschlecht.
ARACHNAS RÜCKKEHR
Der Teppich setzte zum Sturzflug an, glitt in den Spalt zwischen Wasserkuppel und Gelbem Nebel und landete direkt vor dem Eingang zur Mühle. Das alles aber geschah höchst elegant und lautlos.
Beim Anblick der dreckverschmierten Riesin flohen die wachhabenden Zwerge entsetzt ins Innere des Gebäudes und verriegelten das Tor. In dem Tohuwabohu hatte natürlich niemand den Jäger Arkado auf Arachnas Hand entdeckt. Die Wache war vielmehr überzeugt, Karena in höchsteigener Person sei zu ihnen herabgestiegen, um Rache für ihre Aufsässigkeit zu nehmen.
Auf das Geschrei hin war auch Antreno herbeigeeilt, sein Alter und alle Würde vergessend. Ebenso schnell war Kastao zur Stelle, und überhaupt wimmelte es am Tor im Nu von Kindern und all jenen Zwergen, die gerade nicht beschäftigt waren. Die halbe Mühlenbevölkerung hatte sich eingefunden.
Plötzlich wurde laut ans Tor geklopft, und eine bekannte Stimme rief:
»He, Freunde, macht auf! Antreno, Kastao, hört ihr
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