Die Ringwelt-Ingenieure
Inzwischen machte er sich ernsthafte Sorgen. Irgend etwas Häßliches regte sich in seiner Erinnerung. Er rannte nun zu der Stelle, wo das Landungsboot niedergangen war.
Er fand dort nur einen Felsblock, der so groß und so schwer war, daß ihn drei Männer nicht hätten von der Stelle rücken können. Er beschwerte ein großzügig bemessenes Stück schwarzen Superleiter-Tuches. Chmeees Abschiedsgeschenk. Das Landungsboot war weg.
Ich muß früher oder später darüber hinwegkommen , dachte Louis. Und warum nicht jetzt gleich? Ein Freund hatte ihm diesen Trick beigebracht, diese magische Suggestion, mit der man sich rasch von einem Schock oder Kummer erholte. Manchmal funktionierte es sogar.
Er setzte sich auf eine Stange, die früher einmal zu einem Verandageländer gehört haben mußte, nur daß diese Veranda jetzt wie ein gestrandetes Floß auf einem mit Sand bedeckten Gehsteig lag. Er hatte seinen Panzer wieder angelegt und die Weste mit den vielen Taschen. Er hatte diese Kleidung zwischen sich und eine riesige, ihn vergessende Welt gestellt. Er hatte sich nicht aus Schamgefühl bekleidet, sondern aus Furcht.
Damit war sein ganzer Ehrgeiz aufgezehrt. Nun saß er da, während die Gedanken ziellos durch sein Bewußtsein trieben. Er dachte an einen heilen Wonnestecker, der nun so weit von ihm entfernt war wie die Erde von ihrem Mond, und an einen zweiköpfigen Verbündeten, der niemals seine Haut riskieren würde, um auf der Ringwelt zu landen, nicht einmal, wenn er Louis Wu retten mußte. Er dachte an die Ringwelt-Ingenieure und ihre idealisierte Ökologie, die solche lästigen Wesen wie Moskitos oder Vampir-Fledermäuse nicht in ihre Fauna aufgenommen hatten. Seine Lippen zuckten, der geisterhafte Ansatz eines Lächelns. Dann ruhten sie wieder, als sein Gesicht den Ausdruck eines Toten annahm, der gar kein Ausdruck ist.
Er wußte sehr wohl, wohin Chmeee mit dem Landungsboot geflogen war. Er lächelte wieder bei dem Gedanken, wie wenig ihm das nützte. Hatte Chmeee ihm vorher noch gesagt, was er vorhatte? Es spielte keine Rolle mehr. Der Selbstbehauptungstrieb oder der Geschlechtstrieb oder der Rachetrieb - alle drei Impulse würden Chmeee in dieselbe Richtung weisen. Aber würde eines von diesen Motiven ihn zurückbringen, um Louis Wu zu retten?
Und er dachte daran, wie wenig doch der Tod eines Menschen bedeutete, wenn Billiarden Bewohner der Ringwelt dem Untergang geweiht waren, sobald ihr Kunstplanet mit der Sonne zusammenstieß.
Nun, vielleicht kam Chmeee zurück. Louis mußte sich jetzt schon selbst rühren und etwas unternehmen, um die fliegende Stadt zu erreichen. Schließlich waren sie dorthin unterwegs gewesen; Chmeee würde ihn wahrscheinlich dort vermuten, wenn irgendeine Laune den Kzin zu seinem Verbündeten zurückbrachte, der ihn so schmählich im Stich gelassen hatte. Oder Louis mochte in der Stadt etwas Wichtiges entdecken. Oder. irgendwo mußte er ja in dem einen oder den beiden Jahren überleben, die ihm noch vergönnt waren. Ich muß irgendwann darüber hinwegkommen. Warum nicht jetzt?
Jemand schrie.
Die schwarzhaarige Frau hatte sich inzwischen mit Shorts und einem Hemd bekleidet und einen Tornister umgeschnallt. Sie hielt eine Projektil-Waffe in der Hand, die auf Louis Wu zielte. Mit dem anderen Arm gestikulierte sie und schrie zum zweitenmal.
Der Urlaub war vorüber. Louis wurde sich jetzt überdeutlich bewußt, daß seine Schutzkappe locker um seinen Hals hing. Wenn sie ihm einen Kopfschuß verpassen wollte - nun, vielleicht ließ sie ihm noch soviel Zeit, daß er die Kapuze überstreifen konnte, und dann spielte es keine Rolle mehr, ob sie auf ihn schoß oder nicht. Der Schutzanzug würde die Kugeln auffangen, während er über die Straße rannte. Was er jetzt am nötigsten brauchte, war das Fluggeschirr. Oder vielleicht doch nicht?
»Okay«, sagte Louis, lächelte und hob die Hände bis zu den Schultern. Was er wirklich brauchte, war ein Verbündeter. Dann griff er langsam mit einer Hand in seine Weste, holte die Übersetzer-Box heraus und klemmte sie unter seinem Kinn fest. »Das wird für uns sprechen, sobald es deine Sprache beherrscht.«
Sie deutete mit der Waffe: Geh vor mir her.
Louis ging bis zu der Stelle, wo sein Fluggeschirr lag, bückte sich dann und hob es auf. Er vermied jede hastige Bewegung dabei. Es donnerte hinter ihm. Ein Stein, der zehn Zentimeter von Louis' rechtem Fuß entfernt war, hüpfte davon.
Er ließ das Geschirr wieder fallen und wich einen
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