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Die Risikoluege

Die Risikoluege

Titel: Die Risikoluege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Heilmann
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Menschen im Elend leben, Hunger leiden und Kinder in Armut aufwachsen. Sehen, dass Unternehmen und Konzerne Rekordgewinne schreiben und ihre Mitarbeiter entlassen, weil moderne Technologien und Unternehmensfusionen dies möglich machen. Sehen, dass Bildung, Gesundheit und Altersvorsorge zum Luxusgut werden, und nun auch Berge, Flüsse, Seen und sogar das Trinkwasser aus Profitgründen privatisiert werden. Müssen wir das alles hinnehmen? Ich sage Nein!
    Denn dies alles folgt nicht unabänderlich irgendeinem Naturgesetz, sondern ist die Folge politischer Entscheidungen,
einer Politik, die auch ganz anders aussehen könnte. Und diese Fehlentwicklungen dürfen wir nicht widerstandslos hinnehmen, wir müssen ihnen Widerstand entgegenbringen.
    Angesichts dessen, was wir sehen und was uns nicht gleichgültig sein kann, sollten wir nicht damit aufhören, den Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft die Fragen zu stellen, die uns in den großen Lebensfragen auf den Nägeln brennen, und von ihnen zu fordern, ehrliche Antworten auf die Fragen nach dem »Wieweit« und »Wohin« zu erhalten.
    Lassen Sie uns denen, die uns diese Antworten verweigern, aber auch sagen, dass wir ihnen Widerstand entgegensetzen können und es gegebenenfalls auch tun werden.
    Es ist dies nicht wie beispielsweise bei Stuttgart 21 der Widerstand auf der Straße, den ich meine. Es ist ein Widerstand, der aus einer Änderung unserer Mentalität und unseres eigenen Verhaltens kommt – morgen bei Wahlen und Volksentscheiden und heute schon auf dem breiten Feld des Konsums. Wir müssen nicht jeden Trend mitmachen, nicht dauernd mit der Zeit gehen, nicht alles haben wollen, was wir haben können, nicht alles nutzen, was man uns nutzen lassen will. Und vor allem – wir müssen nicht zu allem Ja und Amen sagen. Fangen wir also an – zunächst wenigstens damit, nicht alles zu glauben, was man uns glauben machen will!

    Klaus Heilmann
    München, im Dezember 2011

1
Die Wolke sah harmlos aus, war es aber nicht
    Der Dioxin-Unfall von Seveso, Italien
    10.7.1976
    Die Wolke, die sich am Samstag, dem 10. Juli 1976, einem heißen Sommertag, um 12.37 Uhr am Himmel der Lombardei zeigte, war weiß und sah harmlos aus. Die für die Wolke »Verantwortlichen« hofften, sie würde sich als Lappalie erweisen, doch diesen Gefallen tat sie ihnen nicht. Wegen hoher Windgeschwindigkeit bewegte sie sich schnell über dicht besiedeltes Gebiet, über die Gemeinden Meda, Desio, Cesano Maderno und Seveso.
    Zunächst passierte nichts. Doch schon nach dem Wochenende verdörrten Pflanzen, starben Hühner, Katzen und Kaninchen, stürzten Vögel vom Himmel und verendeten elend am Boden. Die ersten Kinder kamen mit Durchfall, Übelkeit und Hautjucken in die Krankenhäuser.
    Insgesamt etwa 3300 Tiere verendeten, 77 000 wurden notgeschlachtet. Eine Woche nach dem Unglück wurden 14 Kinder mit Chlorakne in Krankenhäuser gebracht. Bilder von Kindern mit eitrigen Pusteln im Gesicht gingen um die Welt. Die Erklärung für das Grauen: Dioxin.

    Herkunft der Wolke und Ausgangspunkt der ihr folgenden Katastrophe war die Chemiefabrik Icmesa, zwanzig Kilometer nördlich von Mailand. Der als heruntergekommen geltende Betrieb beschäftigte einhundertsechzig Menschen und war ein Tochterunternehmen des Schweizer Aroma- und Parfümherstellers Givaudan, der wiederum zum Basler Pharmakonzern Hoffmann-La Roche gehörte.
    Icmesa produzierte Trichlorphenol (TCP), ein Vorprodukt für das Desinfektionsmittel Hexachlorophen, das wegen seiner guten Wirkung gegen Bakterien zur Herstellung medizinischer Seifen eingesetzt wird. Es diente auch als Mikrobiozid in Kosmetika, ist hierfür aber in Deutschland seit 1985 verboten. Bei der Produktion entsteht als Nebenprodukt, besonders bei höheren Temperaturen, das hochgiftige Dioxin Tetrachlordibenzodioxin TCDD.
    Zum Unfall kam es, weil ein Arbeiter am Ende der Nachtschicht wegen des bevorstehenden Wochenendes nicht nur den Reaktor zur TCP-Herstellung abschaltete, sondern auch das Rührwerk des Autoklavs, welches hätte weiterlaufen müssen. Es kam zu einem Wärmestau und die Temperatur stieg immer mehr an, bis sich durch Überdruck ein Sicherheitsventil löste und es zu einer Verpuffung kam. Das Unternehmen legte bei späteren Verlautbarungen Wert darauf, dass es sich um eine Verpuffung, nicht um eine Explosion handelte. Vermutlich, weil Verpuffung harmloser klingt. Mehrere Kilogramm TCDD sollen in die Umgebung ausgetreten sein, ehe das Leck geschlossen werden konnte.

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