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Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov

Titel: Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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sollte. Andererseits war Ingas Verdacht durchaus nachvollziehbar.
    »Gibt’s bei euch auch solche Jungen, die völlig aus dem Rahmen fallen?«, fragte ich.
    »Solche nicht«, erwiderte Inga, »aber wir haben einen Genka, der lebt schon zehn Jahre auf der Insel.«
    »Bei uns sind Chris und Timur am längsten da, sieben Jahre.«
    »Siehst du,das ist auch seltsam«,sagte sie nachdenklich. »Schließlich kann es einen hier jeden Tag erwischen.«

    Ich schloss die Augen. Eine unendliche Leere breitete sich in mir aus, so unendlich wie das Weltall selbst. Wenn mir in jenem Moment einer dieser Außerirdischen unter die Finger gekommen wäre, hätte ich ihn, ohne zu zögern, die Brücke hinuntergestürzt.
    »Gehst du regelmäßig auf Brückenwache?«, fragte ich besorgt.
    »Nein, selten«, erwiderte sie. »Manchmal bitten unsere Jungen mich oder Lorka mitzukommen, sie sagen, unsere Anwesenheit würde sie anspornen.«
    Etwas versetzte mir einen Stich. Inga und ich stritten zwar häufig, versöhnten uns aber immer schnell wieder, nur um bald einen neuen Grund zu finden, uns zu zanken - doch wir waren niemals Feinde gewesen. Auf dieser verwunschenen Inselwelt allerdings trennte uns erheblich mehr als ein Spalt in einer Brücke. Auf ihrer Insel hätte ich bestenfalls als Sklave oder Gefangener leben können, ohne jede Aussicht, jemals auf die Erde zurückzukehren. Die Insel Nr. 36 wiederum war für Inga tabu. Es war uns beiden klar, dass keiner von uns auf die Insel des anderen wechseln konnte. Deshalb verloren wir auch kein Wort darüber. Inga würde auch in Zukunft für die Insel Nr. 24 auf Wache gehen und für die Jungen kochen, die gegen mich und meine Gefährten kämpften.
    »Warum hatten es denn eure Kämpfer heute so eilig wegzukommen?«, fragte ich spöttisch. »Haben sie dich zurückgelassen, damit du ihren Rückzug deckst?«
    »Ich bin mit Absicht zurückgeblieben«, entgegnete Inga, »um mit dir sprechen zu können.«
    Das Auge des Außerirdischen sah mit einem höhnischen Grinsen auf uns herab. Wenn schüttere Wolken darüberhuschten, sah es so aus, als würden die Sterne
uns tückisch zublinken, als wollten sie sagen: Redet nur, Kinder, redet euch nur um Kopf und Kragen.
    »Wie bist du auf die Inseln gekommen?«, fragte ich.
    »Wie alle«, antwortete sie knapp. Offenbar wollte sie nicht daran erinnert werden.
    »Wie genau?«, insistierte ich. »Mich haben sie am Eingang des Parks abgepasst.«
    »Mich auch im Park«, sagte sie seufzend. »Ich war gerade mit Laina spazieren.«
    Laina war Ingas Hund, ein großer, schöner und gutmütiger Schottischer Schäferhund.
    »Dann seid ihr also zusammen hier angekommen?«
    »Nein«, entgegnete sie etwas wehmütig. »Irgend so ein Idiot hat mich angesprochen und gefragt, ob er den Hund fotografieren darf. Ich hab’s ihm erlaubt. Erst hat er ein bisschen herumgedruckst und an seiner Kamera hantiert, dann hat er mich gebeten, Laina festzuhalten, damit sie stillhält.«
    Ingas Lippen begannen zu beben. Ich konnte ihre Wut gut verstehen, denn hinter unseren Entführungen steckte eine widerwärtige, kaltblütige Präzision.
    »Dann ist es dunkel geworden«, fuhr sie fort, »und ich bin ins Wasser gefallen.«
    »Ins Wasser?«, fragte ich überrascht.
    »Ja. Bei uns wurde am Landeplatz extra ein Wasserloch ausgehoben, damit sich die Neuankömmlinge beim Aufschlagen nicht die Knochen brechen. Nachdem ich aus dem Wasser gestiegen war, ist Lorka aufgetaucht, die kannte ich damals natürlich noch nicht. Als sie mir erzählte, wo ich bin, habe ich gedacht, dass das alles nur ein Traum ist.«
    »Gut. Lass uns darüber nachdenken, was nun zu tun
ist.« Ich wollte so schnell wie möglich das Thema wechseln, denn Ingas Stimme hörte sich so an, als würde sie im nächsten Moment von einem Weinkrampf erstickt werden. Zwar hatte ich in diversen Romanen gelesen, wie der Held ein weinendes Mädchen tröstet, war mir jedoch überhaupt nicht sicher, ob mir die passenden Worte dafür einfallen würden.
    »Einverstanden.« Inga nahm meinen Vorschlag dankbar an.
    Ich begann laut nachzudenken wie ein Krimikommissar: »Wir müssen mehr über die Inseln in Erfahrung bringen. Wie lange existieren sie schon? Wer wohnt auf welchen Inseln? Gibt es noch andere Waffen außer Schwertern und Armbrüsten? Haben schon einmal Ritter verschiedener Inseln versucht, sich abzusprechen, und wenn ja, was ist dabei herausgekommen? Eine Landkarte müsste man auch zeichnen.«
    »Okay, Boss«, kommentierte Inga meinen

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