Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov
Übermut und eine Spur Durchtriebenheit.
»Dima, ich bin wirklich froh, dass du hier bist«, sagte sie feierlich.
»Vielen Dank«, entgegnete ich mit gespielter Förmlichkeit.
Wir mussten lachen. Inga schnippte mit dem Finger gegen das Seil, das gespannt war wie eine Gitarrensaite.
»Und jetzt lass uns darüber nachdenken, wie wir von hier wegkommen«, sagte sie.
»Und wie soll das gehen?«
»Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder alle Inseln erobern …«
»Fällt aus«, fiel ich ihr ins Wort.
»… oder wir müssen diese Außerirdischen finden und ihnen eine Tracht Prügel verpassen.«
»Ach ja?« Ich hüstelte, um einen in mir hochsteigenden Lachanfall zu unterdrücken. »Inga, du bist ein Genie. Wir verpassen ihnen also einfach eine Tracht Prügel. Hast du schon mal versucht, in der Richtung was zu unternehmen?«
»Nö«, erwiderte sie, »ich wollte kein Risiko eingehen, schließlich wusste ich ja nicht, dass es zu Hause noch eine zweite Inga gibt.«
Sie sagte das mit einer Selbstverständlichkeit, als sei unsere Situation nun völlig klar. Und offensichtlich interpretierte sie diese dahin gehend, dass uns als Kopien unserer selbst nun überhaupt nichts mehr passieren konnte.
»Aber wenn uns hier etwas geschieht, Inga, dann ist das doch völlig real. Wir sind doch andere Menschen als diejenigen, die auf der Erde geblieben sind. Hast du denn überhaupt keine Angst?«
»Wieso? Auf den Inseln gibt es niemanden, der älter als siebzehn Jahre alt ist. Wir haben hier drei oder vier Jahre, und dann …« Sie verstummte und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. »Ich bin nicht bereit, mich damit abzufinden«, setzte sie schließlich hinzu.
Erstaunt sah ich sie an. Was für ein mutiges Mädchen, dachte ich. Dabei war sie eigentlich ein eher zurückhaltender Typ und hatte nie eine Neigung zu riskanten Unternehmungen an den Tag gelegt. Der Monat auf der Insel war augenscheinlich nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Wie auch immer, sie hatte jedenfalls vollkommen recht.
»Wir versuchen es, Inga«, sagte ich entschlossen. »Entweder
wir erobern die Inseln, oder wir knöpfen uns diese Außerirdischen vor.«
Sie sah mich mit ernstem Blick an. »Dann muss unser Vorhaben aber völlig geheim bleiben«.
8
DER GEHEIMPLAN
Das erstaunte mich.
»Völlig geheim?«, echote ich. »Vor wem, vor den Außerirdischen? Dann sollten wir das aber nicht hier draußen besprechen. Ich hätte zu euch in die Burg kommen sollen. Und mit den anderen Jungen und Mädchen müssen wir uns auch beratschlagen.«
Bei dieser letzten Bemerkung schien Inga hellhörig zu werden. Mit deutlicher Ironie in der Stimme sagte sie: »Bei euch hat heute ein kleiner Junge mitgekämpft, wirklich nur ein halbes Hemd, aber mit dem Schwert eine Furie wie der Teufel höchstpersönlich, als …«
»Das war Maljok«, fiel ich ihr ins Wort, »ich wohne mit ihm zusammen in einer Kammer.«
Inga fuhr zusammen. »Hat er geschlafen, als du losgegangen bist?«
»Ja.«
»Sicher?«
»Sicher!«
Sie wirkte ernstlich besorgt. »Dima, überleg doch mal«, sagte sie und tippte sich mit dem Finger an die Stirn, »wie kommt es, dass er so gut kämpfen kann? Wie alt ist er überhaupt?«
»Noch keine elf. Aber er ist schon lange auf der Insel, da hat er eben gelernt, mit dem Schwert umzugehen.«
»So ein Unsinn!«, entrüstete sich Inga. »Ums Fechten geht’s doch gar nicht. Der ist zehneinhalb, mit Käppi
gerade mal einen guten Meter groß und klapperdürr. Aber wenn man auf sein Schwert schlägt, könnte man meinen, dass man auf ein dickes Eisenrohr einprügelt. Sogar gegen Raul hat er mal gekämpft, und der hat es nicht geschafft, ihm das Schwert aus der Hand zu schlagen. Dabei war Raul schon fünfzehn und hat früher auf Kuba Gewichtheben trainiert. Der konnte mich und noch zwei Mädchen auf einmal hochheben. Raul hat auch gesagt, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Am nächsten Tag wurde er dann getötet.«
»Von wem?«
»Von diesem Riesen, der mit zwei Schwertern gleichzeitig kämpft.«
»Timur?«
»Ja, so ein dunkler, ziemlich furchterregender Typ. Und hör zu, wie das passiert ist: Raul kämpfte wieder gegen diesen Maljok, als der plötzlich theatralisch hinfiel. Raul wollte zuschlagen, brachte es aber irgendwie nicht fertig, und ehe er sich’s versah, fiel eure ganze Meute über ihn her. Anscheinend mögen sie diesen Maljok alle sehr. So kam das.«
Es wollte mir nicht in den Kopf, dass Maljok irgendetwas Schlechtes anhaften
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