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Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov

Titel: Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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eine steile Wendeltreppe, die ich hinaufstürmte, immer weiter hinauf, bis ich unvermittelt vor einer weiteren Tür stand.
    Als ich sie aufstieß, schlug mir heulender Wind entgegen, und Regen peitschte mir ins Gesicht. Alles war in Dunkelheit gehüllt: das Meer, die Insel und weit unten die wuchtigen Gemäuer der Burg. Im Getöse des aufgewühlten
Meeres und im wütend an mir zerrenden Sturm stand ich auf der Plattform des Wachturms und fühlte mich in diesem Augenblick vollkommen verlassen: allein auf den Vierzig Inseln, allein auf diesem fremden Planeten, allein im gesamten Weltall. Ich hatte keine Feinde und keine Freunde mehr, außer vielleicht Inga. Aber war sie wirklich hier, oder hatte ich mir das nur eingebildet? Ich hatte keine Kraft mehr, über die Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden nachzudenken, und auch nicht, mich darüber zu grämen, dass ich vor zwei Tagen einem falschen Fotografen auf den Leim gegangen war. Selbst die schneidende Kälte spürte ich nicht mehr, und der Regen fühlte sich an wie eine warme Dusche.
    Gegen den Wind ankämpfend, tastete ich mich voran, stieß auf eine gemauerte Brüstung und machte mich gerade daran, darüber hinwegzuklettern, als ein Blitz vom Himmel zuckte und nicht weit von der Burg einen grellweißen Strahl ins Meer rammte. Im selben Moment tat es einen ohrenbetäubenden Knall, als sei der Himmel explodiert. Ein Bein hatte ich schon über die Brüstung geschwungen, und beinahe wäre ich vor Schreck in die Tiefe gestürzt, wo die Wellen schäumend gegen die Mauern schlugen.
    Der Blitz verlosch, und mit einem Mal schien es noch viel finsterer zu sein als zuvor. Mit wild pochendem Herzen krampfte ich mich an der Brüstung fest und wusste einen Moment lang nicht, in welche Richtung ich zurückklettern musste. Da fasste mich jemand an den Schultern und zog mich auf die Plattform zurück.
    »Lass das, Dima, beruhige dich«, flüsterte Toliks Stimme direkt an meinem Ohr.
    Noch immer hielt er meine Schultern fest im Griff, als
befürchtete er, dass ich mich losreißen könnte. Mir kam das lächerlich vor. Er dachte wohl, dass ich spr… Hatte er damit womöglich sogar recht?
    »Lass mich los, Tolik!«, sagte ich etwas unwirsch.
    »Einen Teufel werde ich tun, wer weiß, vielleicht willst du ja zum Verrückten Kapitän.«
    »Ich will zu überhaupt niemandem.«
    »Und warum bist du dann abgehauen, wenn ich fragen darf?«
    Nun brach meine ganze Verwirrung heraus und mit ihr das schreckliche Gefühl der Verlassenheit, das meine Seele beherrschte. »Tolik, ich halte es nicht aus mit diesen Typen! Das sind doch keine Menschen, sondern Roboter. Sie zucken noch nicht einmal mit der Wimper, wenn einer nach dem anderen ins Gras beißt. Du bist der einzig Normale in dem ganzen Haufen.«
    »Das ist nicht wahr, Dima. Wir sind alle normale Menschen, und ich bin keinen Deut besser als die anderen. Es ist schon richtig, dass sie versuchen, die Haltung zu bewahren, wenigstens voreinander. Du solltest dir hier ein dickes Fell zulegen, sonst kommst du nicht weit.« Tolik sprach mit ruhiger Stimme auf mich ein. »Es ist nun mal nicht zu ändern, dass wir hierher geraten sind, wir müssen einfach das Beste daraus machen. Es kommt ja auch nicht jeden Tag so schlimm wie heute. Manchmal vergehen Monate, ohne dass jemand getötet wird. Und die Neuen, die ankommen, bringen auch immer wieder frischen Wind rein. Wir hatten mal einen Geiger hier - Mann, konnte der spielen!«
    Toliks Worte überzeugten mich nicht wirklich, denn was er sagte, stimmte nur vor dem Hintergrund der perversen Regeln, die auf den Inseln herrschten. Was war
denn, bitte schön, gut daran, dass hier irgendwann einmal ein genialer Geiger gelebt hatte? Wo war er denn jetzt, der begnadete Musiker? Vermutlich mitsamt seiner Geige irgendwo im Sand verscharrt.
    Trotz allem reifte in mir die Erkenntnis, dass mein innerer Widerstand gegen diese Welt zwecklos war. Während ich so neben Tolik stand und mich unwillkürlich an ihn drängte, als wäre er älter als ich und könnte mich vor irgendetwas beschützen, begann ich langsam, mich ein wenig zu beruhigen.
    Mir war noch nicht danach zumute, in die Wärme und ins Licht der Burg zurückzukehren. Ein paar Minuten brauchte ich noch, um wieder völlig zu mir zu kommen.
    »Von welchem Verrückten Kapitän hast du vorhin gesprochen?«, fragte ich.
    »Stimmt, du konntest ja gar nicht wissen, von wem ich rede«, sagte Tolik nachdenklich. »Ist dir nicht kalt?«
    »Nein.«
    »Dann warten

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