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Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov

Titel: Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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wir noch den nächsten Blitz ab. Schau einfach aufs Meer hinaus und hör mir zu, ich erzähle dir was.«
    Als Tolik mit seiner Geschichte begann, nahm seine Stimme einen beinahe ehrfürchtigen Ton an. »Der Verrückte Kapitän ist ein Junge wie du und ich. Genauer gesagt, das war er. Auch ihn verschlug es auf eine der Inseln, wo er viele Jahre lebte und zu einem ausgewachsenen Kerl heranwuchs. Er war ein mit allen Wassern gewaschener Schwertkämpfer, und man sagt, dass er durchaus eine Chance gehabt hätte, mit seinen Leuten alle vierzig Inseln zu erobern. Doch das wollte er nicht, denn er hatte sich in den Kopf gesetzt, alle Inselbewohner zu retten. Deshalb baute er zusammen mit den Jungen von seiner
Insel ein richtiges Schiff, einen großen, schnellen Klipper, auf dem genug Platz für die Jungen und Mädchen mehrerer Inseln war. Auf diesem Klipper stach er mit seinen Freunden in See und kreuzte lange über den Ozean, bis er schließlich ein Festland entdeckte, wo es keine Außerirdischen gab und wo man leben konnte, ohne sich gegenseitig zu bekämpfen. Sie blieben aber nicht auf diesem Land, sondern segelten zurück, um die Jungen und Mädchen von den anderen Inseln abzuholen und auch auf das Festland zu bringen. Die Außerirdischen waren ihm jedoch längst auf die Schliche gekommen und richteten es so ein, dass sein Klipper nicht mehr in die Nähe einer der Inseln gelangen konnte. Sie wollten, dass er allein zurücksegelt. Der Verrückte Kapitän aber schwor sich, die Inseln trotzdem zu erreichen, selbst wenn er ewig im Meer treiben müsste. Und so kämpfen er und seine Gefährten nun schon seit hundert Jahren gegen die Wellen an. Sie werden nicht älter, sterben nicht, können aber auch niemandem helfen. Nur bei einem richtig heftigen Sturm kommt der Klipper ganz nahe an die Inseln heran, allerdings ist es dann auch völlig unmöglich, an einer von ihnen anzulegen. Manchmal kann man ihn auf dem Meer draußen sehen, manchmal, wenn ein heftiger Sturm über das Meer fegt.«
    Tolik verstummte. Der Wind, der für ein paar Augenblicke nachgelassen hatte, heulte markerschütternd auf und peitschte uns mit neuer Kraft den Regen ins Gesicht.
    »Es geht da so ein Gerücht«, schrie Tolik mir ins Ohr. »Wenn man bei einem starken Sturm ins Wasser fällt, wird man vom Schiff des Verrückten Kapitäns aufgesammelt. Wenn man nur wüsste, ob das stimmt.«

    Natürlich stimmte das nicht! Und Toliks Geschichte war nichts weiter als ein schönes Märchen, nämlich die Legende vom Fliegenden Holländer in etwas abgewandelter Form. Das wollte ich Tolik gerade sagen, kam aber nicht mehr dazu, da im selben Moment erneut ein vieladerig verzweigter Blitz über den Himmel loderte und ich in seinem toten Licht den sagenhaften, unmöglichen und dennoch gespenstisch echten Klipper des Verrückten Kapitäns erblickte. Irgendwo zwischen uns und der Insel Nr. 30 schoss er mit dick aufgeblasenen Segeln, vom Sturm fast in die Waagrechte gedrückt, über die sich aufbäumenden Wellen dahin.
    Der Blitz verlosch. Das Meer, die Wellen und das Schiff des Kapitäns wurden von undurchdringlicher Finsternis verschluckt.
    Eine Halluzination, dachte ich, wie bei einem Psychopathen. Aber war es ein Wunder, dass man auf dieser bescheuerten Insel zu spinnen begann?
    »Glück gehabt«, sagte Tolik mit gedämpfter Stimme. »So nah habe ich ihn noch nie gesehen.«

11
    DER RAPPORT DES BEOBACHTERS NR. 36
    Ich konnte nicht schlafen. Ein anderer hätte vielleicht einfach den Schalter umgelegt und sich in den Schlaf sinken lassen. Warum auch nicht, die Geschehnisse des Tages waren ohnehin nicht mehr rückgängig zu machen. Leider bin ich völlig anders gestrickt: Bevor ich einschlafen kann, muss ich immer erst meine Gedanken ordnen und einen gewissen Frieden mit mir selbst finden.
    Damit scheiterte ich in dieser Nacht grandios. Irgendetwas wühlte mich auf, ich kam nur nicht dahinter, was es war. Vielleicht der Tod der Jungen - Igor, Kostja? Nein. Der Streit zwischen Sershan und Tolik? Nein. Der Verrückte Kapitän? Das war es auch nicht. Der morgige Tag? Nein.
    Was war es nur, was mich so umtrieb? Es waren wohl doch die getöteten Jungen, und zwar weniger die Tatsache, dass sie im Kampf starben, als der Umstand, dass ich an ihrer Stelle hätte sein können. Das war es! Chris hatte mich im allerletzten Moment auf die andere Brücke geschickt, als ob er gewusst hätte, was passieren würde! Plötzlich kam mir der Gedanke, dass die Feinde vor allem auf Jungen in

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