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Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov

Titel: Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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meinem Alter Jagd zu machen schienen. Sie hatten nicht einmal versucht, auf Timur zu schießen, obwohl es logischer gewesen wäre, den ältesten und erfahrensten Kämpfer des Gegners als Ersten auszuschalten. Das war natürlich ein dummer Gedanke, warum hätte jemand ausgerechnet auf mich Jagd
machen sollen? Trotzdem war mir ein wenig bang zumute.
    »Dimka«, hörte ich plötzlich Maljok flüstern. »Dimka, schläfst du?«
    Mir war überhaupt nicht nach einer Unterhaltung mit Maljok, daher schwieg ich und tat so, als ob ich schliefe. Das Bett gegenüber quietschte, leise Schritte ertönten.
    »Dimka«, flüsterte Maljok, jetzt offenbar über mich gebeugt.
    Wollte er mich aufwecken, oder was? Warum flüsterte er dann? Ohne zu überlegen, warum, machte ich keinen Mucks und rührte mich nicht.
    »Dimka«, hauchte Maljok noch einmal, dann hörte ich leise die Türklinke knarren.
    Maljok war aus der Kammer geschlichen. Nachdem ich ein paar Sekunden gewartet hatte, kroch ich ebenfalls aus dem Bett. Sofort umfing mich elende Kälte, als wäre ich in ein Eisloch gesprungen. Bibbernd tapste ich zur Tür und schlüpfte in den dunklen Gang hinaus. Maljoks kaum hörbare Schritte verloren sich alsbald im gleichmäßigen Rauschen der Elemente. Der Sturm hatte zwar nachgelassen, doch der Wind pfiff noch immer geräuschvoll um die Burg. Bei meiner Verfolgung konnte ich mich weder auf mein Gehör noch auf meine Augen verlassen, sondern folgte einer Art sechstem Sinn.
    Am Ende des Ganges angelangt, stieg ich die Wendeltreppe hinunter und schlich weiter Richtung Haupteingang. Dort konnte ich endlich schemenhaft Maljoks Silhouette ausmachen. Wo wollte er nur hin mitten in der Nacht bei dieser Saukälte? Jedenfalls nicht hinaus, denn Maljok wandte sich einem eisenbeschlagenen Holzgatter zu, das sich unmittelbar vor der Haupteingangstür in der
Seitenwand befand. Schon gestern war mir diese Seitentüre aufgefallen, leider hatte ich vergessen zu fragen, wo sie hinführte.
    Als Maljok den Riegel zurückschob, ertönte ein gedämpftes Klonk. Beim Öffnen der Tür jedoch quietschten die Scharniere so jämmerlich, dass er zusammenzuckte und für einige Augenblicke verharrte. Ich stand etwa zehn Meter von ihm entfernt in seinem Rücken und spürte mein Herz bis zum Hals pochen. Jetzt machte sich Maljok an etwas zu schaffen; plötzlich erklang ein Zischen, und in seinen Händen glomm ein fahles Licht, das er in einer winzigen Petroleumlampe entzündet hatte. Erschrocken presste ich mich gegen die Wand, aber der Lichtschein war so schwach, dass er mich wohl kaum erfassen konnte. Maljok verschwand nach unten. Als ich ihm nach wenigen Sekunden folgte, sah ich, dass er eine lange Treppe hinunterstieg, an deren Ende sich erneut eine verriegelte Tür befand.
    Hinter dieser Tür öffnete sich ein Kellerraum, den Maljok trotz der spärlichen Beleuchtung sicheren Schrittes durchmaß. Allem Anschein nach ging er diesen Weg nicht zum ersten Mal. Lautlos atmend schlich ich ihm durchs Halbdunkel des muffigen Kellers hinterher. Überall herumliegendes Gerümpel machte eine geräuschlose Fortbewegung nicht gerade einfach. Trotz aller Umsicht schrammte ich mit dem kleinen Zeh gegen die Kante einer Holztruhe und konnte mir nur mit Mühe einen Aufschrei verbeißen. Zum Glück hatte sich die schwere Truhe nicht bewegt, sonst hätte Maljok mich sicherlich bemerkt. In einem Winkel des Kellers lagen uralte, halb zerfallene Möbel, in einem anderen riesige Fässer und ein umgedrehtes Boot, überall türmten sich irgendwelche
Bretterstapel. Im Grunde war dies ein ganz gewöhnlicher Keller, fragte sich nur, was mein Kammergenosse nachts hier zu suchen hatte.
    Inzwischen hatte Maljok das Ende des Kellerraums erreicht. Er stellte seine Petroleumfunzel ab, die dabei fast ausgegangen wäre, und trat an die Wand heran, die nicht aus Marmor, sondern aus Steinblöcken bestand. Allerdings war in der Wand eine kleine, etwa buchgroße und tiefschwarze Marmortafel eingelassen, die blank poliert wie ein Spiegel glänzte und sich etwa eineinhalb Meter über dem Boden befand. Maljok legte langsam die Handflächen auf die Tafel und verharrte reglos.
    Hinter einem Fass hervorlugend, beobachtete ich ihn.
    Die Flamme der Petroleumlampe knisterte leise in der abgestandenen, modrigen Kellerluft. Es passierte nichts, absolut nichts. Meine Beine begannen zu frieren.
    Mit einem Mal fiel der Groschen bei mir: Es musste sich um eine Art Grabmal oder Gedenktafel handeln. Warum war ich da nicht

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