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Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov

Titel: Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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welchem Grund wir zu den nördlichen Inseln aufgebrochen waren.
    »Ich weiß nicht recht«, antwortete ich zögerlich. »Natürlich glauben wir, dass wir eine Chance haben. Sonst könnten wir es ja gleich bleiben lassen.«
    »Was du nicht sagst«, erwiderte Sergej grinsend. »Ich denke, man könnte auch gewissermaßen Konföderation ›spielen‹, mehr so aus Langeweile, weil einem das bisherige Spiel schon zum Hals heraushängt. Oder auch weil man in der Konföderation sicherer ist. Das heißt noch lange nicht, dass man auch an einen letztendlichen Erfolg glaubt.«
    »Philosoph!«, sagte ich ironisch. Das war vielleicht etwas unklug von mir, denn Sergej war hier der Herr im Haus und ich nur ein Gast, noch dazu ein ungebetener.
    Zum Glück reagierte Sergej nicht beleidigt.

    »Tja, was bleibt einem hier schon anderes übrig, als zum Philosophen zu werden«, sagte er seufzend. »Auf unserer Insel ist es ziemlich ruhig. Und dem Präsidenten ist es laut Verfassung untersagt, sich an den Kämpfen zu beteiligen.«
    »Du bist Präsident?«, fragte ich und starrte ihn mit offenem Mund an.
    »Ja. Vor zwei Monaten wurde ich für eine weitere dreijährige Amtszeit wiedergewählt. Was wundert dich daran?«
    »Ach … nichts.«
    »Siehst du, das ist das kleine Geheimnis der Inseln«, sagte Sergej und setzte abermals ein breites Grinsen auf. »Warum sind auf den meisten Inseln Fremde an der Macht?«
    »Was für Fremde denn?«
    »Na, die Insel Nr. 36 ist doch russisch. Euer Kommandeur aber ist Chris, ein Amerikaner.«
    »Engländer!«, verbesserte ich.
    »Spielt doch keine Rolle … Und auf unserer Insel, wo fast alle Franzosen sind, wurde ich als Russe zum Präsidenten gewählt.«
    »Und wieso?«
    »Keine Ahnung. Deshalb sage ich ja: das kleine Geheimnis der Inseln.«
    »Und worin besteht dann, bitte schön, das große Geheimnis?«
    Sergej machte sich nicht lustig über mich. Es war einfach seine Art, sich zu unterhalten, dass er immer nur scheibchenweise mit dem herausrückte, was er sagen wollte, wie ein Lehrer in der Schulstunde, der seine Schüler auf diese Weise zum Mitdenken anregen möchte.

    »Das große Geheimnis?« Sergej gab sich erstaunt über meine Frage. »Wozu sind sie da, die vierzig Inseln?«
    Irgendwo in der Burg, hinter verschlungenen Korridoren und dicken Türen, in irgendwelchen Kammern, vielleicht in einem anderen Stockwerk, hörte man immer wieder leises Gelächter. Aus dem Trainingssaal drang kaum hörbar das dumpfe Klappern der Holzwaffen, wahrscheinlich demonstrierte Timur unseren Gastgebern gerade die Vorzüge des Kampfes mit zwei Schwertern gleichzeitig. Niemand in der Burg stellte sich irgendwelche dummen Fragen: wozu die Inseln gut waren, wie viele Sterne am Himmel stehen, oder wie viele Tage jeder von uns noch zu leben hatte. Nur ich musste mir mit dem phlegmatischen Präsidenten der Insel Nr. 4 den Kopf darüber zerbrechen. Was heißt musste? Theoretisch hätte ich auch zu Timur oder Tom oder sogar zu Inga gehen können.
    »Sergej, wie denkst du darüber? Hältst du es für möglich, dass diese Außerirdischen uns erforschen?«, fragte ich.
    »Natürlich nicht«, erwiderte er kopfschüttelnd. »Die Inseln existieren seit mindestens achtzig Jahren. Was sollte man so lange erforschen. Noch dazu unter vollkommen idiotischen Bedingungen.«
    Sergej griff zum Wasserkocher und goss sich noch eine Tasse des löslichen Kaffees auf. Dabei machte er ein so zufriedenes Gesicht, als säße er, die Mathematikstunde schwänzend, mit seinem besten Schulfreund in einem Eiscafé.
    »Um die menschliche Psychologie zu erforschen, müsste man eine ganze Gesellschaft erschaffen, und zwar eine sehr komplexe. Mindestens eine Stadt, besser
einen Staat, noch besser einen ganzen Planeten. Was soll man auf diesen vierzig winzigen Inseln groß herausfinden? Außerdem sind uns sehr enge Rahmenbedingungen gesteckt. Wir sind gezwungen, uns ständig zwischen Extremen hin und her zu bewegen. Wir müssen kämpfen, aber nicht nach Sonnenuntergang. Töten ist erlaubt, Zusammenarbeit dagegen nicht. Siebzig Prozent sind Jungen, dreißig Mädchen. Allzu erwachsenes Verhalten ist unerwünscht: Das achtzehnte Lebensjahr hat hier noch keiner überstanden.«
    »Warum ist es unerwünscht?«, fragte ich, und ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Noch drei Jahre, und das sollte es dann schon gewesen sein?
    »Weißt du«, sagte Sergej mit leuchtenden Augen, »ich glaube, es geht um die Liebe.«
    Zum ersten Mal schwang Unsicherheit in

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