Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov
einigermaßen hübsch aus. In den Fenstern der Burg war niemand zu sehen, und von der Brücke, unter der wir gleich hindurchsegeln würden, drang kein Laut herab.
»Sollen wir dort mal an Land gehen?« Ich deutete mit dem Arm auf das unwirtliche Eiland.
Tom zog unwillig die Schultern hoch und setzte ein gekünsteltes Lächeln auf. Er hatte offensichtlich nicht die geringste Lust, an dieser Küste an Land zu gehen.
»Our island - next« , schlug ich vor.
Tom nickte und streckte sich wieder aus. In diesem Augenblick hörte ich plötzlich ein Pfeifen, das allmählich lauter wurde und sich wie eine feine Nadel ins Ohr bohrte. Das Pfeifen erinnerte an das Geräusch einer herabfallenden Bombe, obwohl es viel leiser und dünner klang. Auch endete es nicht mit einer Explosion, sondern mit einem kurz aufeinanderfolgenden Ratsch … Ratsch … Tschock!
Nachdem es unser Segel aufgeschlitzt und eines der vielen Taue, deren Namen ich mir nicht merken konnte, durchtrennt hatte, bohrte sich ein langes, schmales Schwert in die Holzbohlen unseres Decks.
Wie von der Tarantel gestochen, sprangen Timur und Janusch vom Kajütendach herunter. Tom stürzte zum Mast und machte sich an den heil gebliebenen Tauen zu schaffen. Timur griff sich eine Armbrust, legte sie an der Schulter an und zielte auf die Brücke hinauf, unter der wir soeben hindurchgesegelt waren.
Auf der Brücke war niemand zu sehen. Die Übeltäter hatten sich offenbar flach auf den Brückenboden gelegt.
»Feige Schweine«, schrie ich, lief zu dem Schwert und zog es aus dem Holzboden. Noch immer funkelte es stählern und feindlich. Mit welchem Hass musste es wohl geschleudert worden sein, dass es sich den fremden Händen so lange widersetzte!
Das Segel war mit einem Ruck in zwei Hälften geschnitten worden und hing schlaff und wirkungslos von der Rahe. Die Aliens Nightmare dümpelte antriebslos in unmittelbarer Nähe der Brücke. Hektisch packte Tom das Ersatzsegel aus.
»Los! Speed! «, kommandierte er aufgeregt.
So schnell wir konnten, holten wir das kaputte Segel ein. Inga schleifte es auf das Achterdeck, während wir das Ersatzsegel, das Rita mühevoll aus diversen Fetzen zusammengenäht hatte, befestigten. Ohne seine Armbrust aus der Hand zu legen, zog Timur die Knoten an den Fallen fest.
Es erfolgte jedoch kein weiterer Angriff. Entweder hatten die Feinde keine Armbrüste und Bogen zur Verfügung, oder sie hatten Angst, selbst einen Pfeil abzubekommen. Auf uns herabfallende Schwerter brauchten wir nun nicht mehr zu befürchten, da uns die Strömung bereits ein Stück weit abgetrieben hatte.
Nachdenklich begutachtete ich die feindliche Klinge, die endlich ihren stählernen Glanz verloren hatte. Als unser Schiff wieder Fahrt aufgenommen hatte und sich in sicherer Entfernung von der Brücke befand, entspannte sich auch Timur, legte die Armbrust beiseite und kam zu mir herüber.
»Kein schlechtes Schwert«, brummte er anerkennend.
»Wohl wahr«, pflichtete ich ihm bei und fuhr mit dem Finger die fein geschliffene Schneide entlang. »Allerdings habe ich nicht die geringste Lust, mit seinem Besitzer Bekanntschaft zu schließen.«
Timur zwinkerte mir zu. »Der Archipel endet hier. Wenn wir an der nächsten Insel auch noch vorbeifahren, schippern wir ins offene Meer hinaus.«
»Wir sollten bei nächster Gelegenheit anlegen«, sagte ich, seine Gedanken erratend.
»Guter Plan«, erwiderte er und fügte, sich genüsslich streckend, hinzu: »Man kommt ja sonst auch ganz außer Form.«
Die Aliens Nightmare hielt direkt auf die nächste Insel zu, die zu den kleineren auf dem Archipel gehörte und auf den ersten Blick einen recht sympathischen Eindruck machte. Aus einem dichten Grüngürtel ragten die weißen Wände der Burg empor. Und an der Küste befand sich ein schmaler Sandstrand, auf dem sich eine kleine Schar Jungen versammelt hatte und uns entgegenstarrte.
Die warten schon auf uns, dachte ich.
8
SERGEJ VON DER INSEL NR. 4
Etwa dreißig Meter vor dem Strand der Insel wies Tom Janusch an, das Segel zu fieren, und kurbelte selbst am Steuerrad. Die Aliens Nightmare drehte sanft bei. So waren wir weit genug entfernt, um notfalls schnell wieder Fahrt aufzunehmen und zu flüchten, falls die Jungen sich ins Wasser stürzen und versuchen sollten, unser Schiff zu entern. Gleichzeitig waren wir nahe genug am Ufer, um uns mit den Bewohnern der Insel durch Zurufen verständigen zu können.
Tom machte den Anfang. Er stellte sich auf das Achterdeck und rief das
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