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Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov

Titel: Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Ferne, bald schimpften aufgebrachte Häher, ganz zu schweigen vom Gesumme geschäftiger Hummeln und lästiger Fliegen. Im Wald der Insel Nr. 6 dagegen bildete das sanfte Rauschen des Windes in den Baumkronen die einzige Geräuschkulisse.
    Nichts Böses ahnend, kehrten wir gegen Mittag zur Burg zurück. Der Wind stand günstig, und nur die Tatsache, dass wir alle schon wieder Hunger verspürten, hielt uns davon ab, sofort aufzubrechen.
    Die Schwierigkeiten erwarteten uns am Ufer, das der Burg zu Füßen lag, und zwar ausgerechnet in Person von Janusch und Inga. Janusch schaute betreten drein, Inga irgendwie beleidigt und ein bisschen traurig. Etwa zehn Meter von ihnen entfernt stand Marek an einen Baum gelehnt. Als wir näher kamen, flüsterte Janusch Inga schnell etwas zu, woraufhin sie nickte, ihn jedoch nicht anblickte.
    »Also … hört mal«, begann sie, noch bevor wir sie begrüßt hatten. »Wir haben eine hervorragende Idee, wie wir die Konföderation hier auf der Insel festigen könnten.« Ihre Stimme klang flach und nicht sehr überzeugend. »Wir sollten einen … ähm … Botschafter auf der Insel zurücklassen.«
    Einen kurzen Moment dachte ich über Ingas Worte nach, dann nickte ich und sagte: »Soso, und dieser Botschafter ist natürlich Janusch, nicht wahr?«
    Timur, der auch sofort begriffen hatte, worum es eigentlich ging, zog ein grimmiges Gesicht.

    »Die Sache gefällt mir nicht, Janusch«, sagte er, einen Blick auf Marek werfend. »Das riecht gewaltig nach Fahnenflucht.«
    »Hört zu … ähm …« stammelte der Botschafterkandidat.
    »Ich höre dir zu«, unterbrach ihn Timur friedfertig, »aber denk dran, ich bin nicht Inga, auf die Mitleidstour brauchst du mir nicht zu kommen.«
    Janusch brachte kein Wort mehr heraus. Stattdessen setzte er sich auf den Boden und stützte den Kopf auf die Knie. Dabei rutschte sein zigfach geflicktes T-Shirt aus der Jeans und entblößte sein braun gebranntes Kreuz, auf dem direkt über der Wirbelsäule eine lange Narbe verlief.
    »Mit Gewalt werden wir dich nicht mitschleifen«, sagte ich ruhig, »davon hätte niemand etwas. Du musst dich selbst entscheiden.«
    »Bitte, lasst mich hier bleiben«, presste Janusch hervor.
    »Dass du mit deinem Landsmann zusammenbleiben willst, verstehe ich ja. Kann gut sein, dass es auf dem ganzen Archipel nur zwei Polen gibt«, sagte Timur. Dann deutete er mit einem Seitenblick auf Marek und fügte mit eisiger Stimme hinzu: »Aber warum kommt er nicht mit uns?«
    »Er kann nicht«, erwiderte Janusch leise.
    »Er kann nicht«, echote Inga. »Das seht ihr doch selbst, Timur, er kann wirklich nicht.«
    Marek, der angespannt zu uns herüberblickte, war ein gut aussehender, kräftiger Junge und genauso alt wie Chris. Das war es also …
    »Dann ernennen wir Janusch eben zum Botschafter«,
sagte ich zu Timur. »Wenn er unbedingt hierbleiben will …«
    Der Hüne mit den zwei Schwertern warf uns einen verächtlichen Blick zu, drehte sich um und stapfte zum Boot davon.
    Die Szene ließ mich ratlos zurück. Wieder einmal prallten hier zwei Wahrheiten aufeinander. Einerseits hatte Timur völlig recht: Der Verlust eines erfahrenen Kämpfers würde unsere Insel zweifellos schwächen. Andererseits konnte man aber auch Janusch verstehen, der sich endlich wieder in seiner Muttersprache unterhalten konnte.
    Jemand tippte mir auf die Schulter, und ich drehte mich um. Sergej und Tom waren zu uns getreten. Unser Kapitän hielt die zu einem Rohr zusammengerollte Karte des Archipels in der Hand.
    »Ich habe noch einige Ergänzungen vorgenommen«, verkündete Sergej strahlend. »Natürlich nur Dinge, die ich sicher weiß. Und zu jeder mir bekannten Insel habe ich euch so eine Art Steckbrief dazugeschrieben.«
    »Danke, Sergej«, sagte ich, um dann mit sorgenvoller Miene hinzuzufügen: »Sergej, da ist noch eine Sache, die ich mit dir besprechen muss. Janusch möchte auf eurer Insel bleiben. Wärt ihr damit einverstanden?«
    »Aber sicher doch«, erwiderte Sergej, der sich nicht besonders zu wundern schien. »Er ist uns willkommen. Es ist wegen Marek, oder?«
    »Natürlich«, bestätigte ich und senkte unwillkürlich den Blick, denn in gewisser Weise empfand auch ich es als verletzend, dass Janusch uns verließ. »Gibt es viele Polen auf den Inseln?«
    »Nein, nicht viele«, entgegnete Sergej. »Die Auswahlkriterien
sind ziemlich undurchsichtig. Je größer ein Land, desto mehr Jungen und Mädchen stellt es auf den Inseln. Aber auch das

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