Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov
Form eines Halbmondes, und an seinem entfernten Ende erhob sich eine schwerfällig wirkende Burg, die an ihren
Ecken von breiten, niedrigen Türmen begrenzt war. Menschen waren nicht zu sehen.
Tom zog unsere selbst gezeichnete Karte hervor und breitete sie aus. Der stärker und stärker werdende Wind zerrte wütend daran,während die ersten Wasserfontänen über die Bordwand spritzten. Leider mussten wir feststellen, dass uns über die Insel, auf die wir zutrieben, nichts bekannt war. Westlich davon folgten noch zwei weitere unbeschriebene Inseln und dann der offene Ozean.
Mit sorgenvoller Miene blickte Tom zum Himmel. »Sehr schlecht. Very bad .«
»Wir müssen wohl oder übel an dieser Insel anlegen«, sagte Timur achselzuckend. »Was denkt ihr?«
Es blieb keine Zeit, die Lage groß zu diskutieren. Als wir das Segel gesetzt hatten, tat die Aliens Nightmare einen gewaltigen Ruck und schoss sofort wie eine Rakete über das Wasser. Tom, inzwischen klatschnass, klammerte sich fest ans Steuerrad, um den Kurs zu halten. Das Anlanden auf der Insel Nr. 4 war noch ein Kinderspiel für ihn gewesen, aber dieser mit Macht einsetzende Sturm stellte seine Segelkunst auf eine harte Probe.
In atemberaubendem Tempo hielt unser Boot auf die fremde Insel zu, an deren Ufern immer noch niemand zu sehen war. Angestrengt beobachtete ich die Brückenbögen, die im Moment noch wie Regenbögen vor den dunklen Wolkenmassen leuchteten. Wenn auf diesen Brücken jemand Wache hielt, musste er uns längst bemerkt haben. Aber weit und breit war keine Menschenseele zu sehen.
Etwa hundert Meter vor der Insel holten Timur und ich auf Toms Anweisung das Segel ein. Die Aliens Nightmare war nun ein Spielball der aufs Ufer zurollenden Wellen,
die sie abwechselnd hochhoben und dann wieder fallen ließen. Schließlich, als sich der Kiel des Bootes mit einem jähen Knirschen in den Grund bohrte, purzelten wir alle vier, überrascht von der abrupten Vollbremsung, über das Deck.
Timur war gerade über Bord gesprungen, um das Boot weiter ans Ufer zu bugsieren, als der nächste gewaltige Brecher es erneut anhob und zehn Meter weiter zum Strand schleuderte, wo es etwas zur Seite geneigt liegen blieb. Fluchend watete Timur durch die schäumenden Fluten hinterher.
Nachdem ich mein am Gürtel baumelndes Schwert zurechtgerückt hatte, sprang ich über die Bordwand ans Ufer, drehte mich um und streckte Inga die Hand hin, um ihr herunterzuhelfen. Mich ignorierend, zog sie es jedoch vor, selbstständig auszusteigen und landete prompt in der nächsten Welle, die sie schmatzend in die Horizontale beförderte.
Beleidigt und schadenfroh wandte ich mich ab und sah mich am schmalen Strand um, der von feinem Kiesel bedeckt war. Etwa zehn Meter vom Wasser entfernt war die Insel dicht mit niedrigen, stacheligen Sträuchern bewachsen. In der Ferne ragten die breiten Türme und das Gemäuer der Burg empor, die alle paar Sekunden in den ständig über den Himmel zuckenden Blitzen grell aufleuchtete.
»Hilf uns gefälligst, Dima!«, schnauzte mich Inga von hinten an.
Zu viert zogen wir die Aliens Nightmare weiter ans Ufer, wobei die Bordwände jämmerlich knirschend über die spitzen Kiesel scheuerten. Danach befestigte Tom das Tau mit dem Anker geschickt an einem der wuchtigen
Felsblöcke am Strand, kehrte zum Boot zurück und machte sich daran, das Segel zu fixieren. In der Zwischenzeit kletterten Timur und ich auf den glitschigen Rücken eines riesigen Felsblocks, um die Umgebung genauer zu inspizieren.
Es war ein trostloser Anblick: steiniger, ausgemergelter Boden, beinahe laubfreies, dorniges Buschwerk, vom Wind zerzauste, verkrüppelte Bäume und, wo man auch hinsah, Felsblöcke und gestaltlose graue Erdhügel.
»Es würde mich nicht wundern, wenn die Bewohner hier alle an Schwermut zugrunde gegangen wären«, sagte ich und sprang vom Felsen auf den harten Boden herunter.
Timur stand immer noch auf seinem Aussichtspunkt und spähte misstrauisch in die Umgebung. Die Schwerter in seiner Hand glänzten nicht nur metallisch, sondern flimmerten geradezu in einem blendenden hellblauweißlichen Licht. Die hinter uns auflodernden Blitze spiegelten sich in den Stahlklingen.
»Für gewöhnlich stirbt man aber nicht an Schwermut«, entgegnete er mit finsterer Miene. »Eher im Gegenteil.«
Plötzlich zog er seinen Dolch aus dem Gürtel, wiegte ihn ein paarmal in der Hand und schleuderte ihn dann blitzartig und ansatzlos mitten in die karge Prärie. Es war ein gezielter
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