Die Ritter des Nordens
verlassen, dass sie überall dort auftauchten, wo sie eine Chance witterten, sich in den Besitz dieser Dinge zu bringen. Wenn ich ihre Sitten richtig verstand, fanden sie es ehrenvoller, auf der Jagd nach Ruhm und Reichtum zu sterben als der Vernunft zu gehorchen, und lebend, aber dafür mit leeren Händen wieder nach Hause zu kommen.
Trotz aller Eide, die sie König Guillaume geschworen hatten, sprach deshalb alles dafür, dass sie auch diesmal wieder das genaue Gegenteil dessen tun würden, was landläufig als vernünftig gelten mochte. Und so würden wir es aller Voraussicht nach schon sehr bald aufs Neue mit ihnen zu tun bekommen.
Und bis dahin konnten wir nur tun, was wir immer taten: dafür sorgen, dass unsere Klingen keinen Rost ansetzten und dass wir das Fechten nicht verlernten. Und warten. Bis zum Frühjahr lagen noch einige Monate vor uns, und bis dahin hatten wir noch viel zu tun: Wir mussten nicht nur neue Häuser und Scheunen, sondern auch eine neue Halle und eine Kirche bauen. Außerdem mussten wir die Felder bestellen, die Fischreusen reparieren und neue Gemüsegärten anlegen. Schließlich musste ein ganzer Gutsbetrieb aus der Asche neu erstehen.
Über uns schien die Sonne von einem fahlen wolkenlosen Himmel herab, und ein eiskalter Wind blies uns in den Rücken. Vor uns verlor sich der Weg in den Hügeln, und so ritten wir durch das helle, stille Land.
Nach Earnford. Nach Hause.
Historische Anmerkung
D as Grenzland zwischen England und Wales – auch als Walisische Marken bekannt – hat eine faszinierende Geschichte. Nach Abschluss der Arbeit an Der Pakt der Schwerter habe ich deshalb beschlossen, diese gefährliche Gegend zum Schauplatz meines zweiten Tancred-Romans zu machen. Denn die Region bot sich für eine solche Geschichte geradezu an, da sich die Normannen dort anfangs viel schwerer taten als in den meisten anderen Teilen Englands. Der Landstrich war zwar heftig umkämpft, bot den normannischen Rittern dafür aber auch die Chance, ihren Ruhm zu mehren.
Dass die Waliser ein eigenständiges Volk waren, das sich durch Sprache, Ethnie und Kultur von anderen unterschied und ein eigenes Territorium besaß, war bereits im elften Jahrhundert allgemein anerkannt, sowohl bei walisischen als auch bei nichtwalisischen Autoren. Allerdings zerfiel das Land politisch zum Zeitpunkt der normannischen Eroberung in zahlreiche rivalisierende Königreiche. Die drei mächtigsten darunter waren Gwynedd im Norden, Powys im Zentrum des Landes und Deheubarth im Süden. Tatsächlich waren die diversen Provinzen des Landes nur ein einziges Mal für kurze Zeit unter einem einheimischen Herrscher vereint, und zwar zwischen 1055 und 1063 unter König Gruffydd ap Llywelyn, der in einer walisischen Quelle als »Kopf und Schild und Verteidiger der Britonen« bezeichnet wird. Er war der Vater der Exilprinzen Maredudd und Ithel, die auch in Die Ritter des Nordens eine Rolle spielen, und wurde 1063 von enttäuschten Anhängern umgebracht. Zuvor hatte er in einer heftigen Schlacht eine Niederlage gegen einen gewissen Harold Godwineson, Earl of Wessex, erlitten, der in dieser Zeit auf den Höhepunkt seiner Macht zusteuerte. Nach Gruffydds Tod zerfiel Wales wieder wie zuvor in mehrere Klein-Königreiche.
Die Marken stellten die Normannen, die erst wenige Jahre zuvor in England eingetroffen waren, vor große Probleme, da die Eroberer ihre Kräfte ohnehin schon gefährlich überstrapazieren mussten, um das Land zu unterwerfen. Da der Grenzverlauf zwischen England und Wales nicht exakt festgelegt war, orientierte man sich in dieser Zeit meist an dem als Offa’s Dyke bezeichneten Grenzwall. Angeblich hatte ein Herrscher aus Mercia mit diesem Namen die Befestigungsanlage im achten Jahrhundert zwischen dem Königreich Mercia und Wales anlegen lassen. Allerdings war der Wall nie eine eindeutig fixierte Grenze, und so kamen nicht nur immer wieder walisische Plünderer über die Grenze, sondern es siedelten auch ganze Volksgruppen unterschiedlicher ethnischer Herkunft auf beiden Seiten des Walls. So lebten etwa in den Bezirken Ewias und Archenfield überwiegend Waliser, obwohl beide im Domesday Book (1086) als Bestandteile der Grafschaft Herefordshire ausgewiesen sind; bei dem westlich des Dyke gelegenen Radnor wiederum handelte es sich um einen sächsischen Besitz aus vornormannischer Zeit. Und so konnten die Marken wegen der ungeklärten und wechselnden Besitzverhältnisse nicht dauerhaft ruhig gehalten werden. Wer sich auf
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