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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zu Oberleutnant Faber, der mit ihm an der offenen Grube stand. »Aber selbst sein Tod war Weltanschauung … er verpflichtet uns, bis zum letzten Mann zu kämpfen, um dieses schreckliche Ende nicht an uns selbst zu erleben.«
    Oberleutnant Faber warf die ersten Spatenstiche Erde über den mit einer Zeltplane zugedeckten Körper. Er schwieg.
    Bis zum letzten Mann, dachte er. Der Tag ist nicht weit, an dem wir alle die letzten sind.
    Und was übrigbleibt, wird ein Deutschland sein, das so verstümmelt und unkenntlich aussieht wie Leutnant Vogel.
    »Wollen wir singen: Ich hatt' einen Kameraden?« fragte Schneider sarkastisch.
    Wortlos wandte sich Faber ab und ging.
    Die Front brach zusammen. Rußland war verloren, die Rollbahn aufgegeben … jetzt fluteten die Massen der zurückweichenden deutschen Divisionen nach Polen hinein, empfangen von den fanatischen Mitgliedern der polnischen Untergrundbewegung. Hinter jeder Hausecke, aus jedem Gully hervor, von allen Dächern wurde auf die ausgehungerten, müden deutschen Soldaten geschossen … es war ein Kesseltreiben, ein Abschlachten, ein Vernichten, wie es der Mensch bisher noch nicht vollbracht hatte.
    Kowno wurde eingekreist, Panzerspitzen der Zakharow-Armeegruppe näherten sich Bialystok … die Stoßkeile über Brest-Litowsk zielten nach Warschau, das in einem Siegestaumel war und von Freiheitskämpfern wimmelte. Es war unmöglich, allein durch Warschaus Straßen zu gehen. Nur Gruppen von deutschen Soldaten, schwer bewaffnet, konnten nachts zu ihren Quartieren rennen … und auch sie verschwanden in den Niederungen der Weichsel und den Katakomben der Warschauer Altstadt und des Gettos.
    In der Wolfsschanze vergrub sich Hitler. Fühlte er den Zusammenbruch seiner Macht? Sah er endlich das Ende seines Reiches und seines Wahns?
    Die Generäle um ihn zitterten vor jedem Lagebericht. Göring kam nur noch selten zum Führerhauptquartier und ließ sich vertreten. Himmler wütete in der Heimat … er vergaste in sechs Wochen 270.000 KZ-Häftlinge, um in den Baracken Platz für die neuen Nachschübe zu bekommen. Nicht nur in den bombardierten Städten gab es ein Wohnungsproblem, auch in den Zuchthäusern und KZs. Nur wurden sie auf andere Art gelöst als in den Städten, wo die Menschen zu Kellerschaben wurden und sich vergruben in die Feuchtigkeit neugegrabener Stollen, die Luftminen standhalten sollten.
    Die deutsche Front riß auf. Im Norden … in der Mitte … im Süden … sie hatte kaum noch einen Zusammenhalt, kaum noch einen strategischen Wert, überhaupt keinen Sinn mehr. Sie bestand aus losen Verbänden, die kämpfend zurückgingen, sich vom Feind absetzten, sich selbst verpflegten, selbst ihre Stellungen suchten und allein gelassen untergingen und starben.
    Mit ihnen starb ein ganzes Volk.
    Mit ihnen verging das Deutschland, das sie noch retten wollten.
    Auch Stabsarzt Dr. Wensky, der nach seiner Zurücknahme in ein Feldlazarett fast über Nacht allein auf sich gestellt war und keinerlei Verbandmaterial und Medikamente mehr bekam, weil die rückwärtigen Lager kopflos gesprengt wurden, noch bevor die zurückgehende Truppe sie passiert hatte, stand vor der Frage, entweder seine Verwundeten im wahrsten Sinne des Wortes verrecken zu lassen oder irgendwie und irgendwo unter Umgehung aller Verbote und Vorschriften Material heranzuschaffen.
    »Sie müssen Verbandzeug organisieren«, sagte er zu Sanitätsunteroffizier Walter Heinrich. »Woher, das ist mir egal! Ich habe meine Hände, mit denen ich operiere … sorgen Sie für die Verbände. Ich kann allein nicht alles machen!«
    Unteroffizier Walter Heinrich hob die Schultern. Er saß Dr. Wensky im Operationsraum gegenüber … der letzte neueingelieferte Verwundete war versorgt. Jetzt hatte man Zeit zu einer Zigarettenpause, zu einem kurzen Verschnaufen, zu einem kleinen Gespräch. Dann kamen die neuen Sankas mit neuen, stöhnenden Menschen, zerrissenen Leibern, abgeschossenen Gliedern und zerfetzten Muskeln. Eine endlose Karawane des Schreckens, des Grauens, des sinnlosen Leidens. Eine Armee Halbtoter, aus der die Gehfähigen schon aussortiert waren. Sie mußten weiterkämpfen bis zum Umfallen, bis zum Ende.
    Ein bitterer Landserspruch machte die Runde: »Ruhe haste erst im Grab. Solange du loofen kannst, läuft dir der Heldenklau hinterher!«
    Heinrich sah auf die Karte, die Dr. Wensky auf dem kleinen Seitentisch ausgebreitet hatte.
    »Wo soll das nächste Lager sein?«
    Dr. Wensky tippte auf einen

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