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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sagen, aber der General setzte den Fuß vor.
    »Vorberg«, sagte er leise. Seine Stimme war so gütig wie die eines märchenerzählenden Großvaters. »Sie haben Eltern?«
    »Jawoll, Herr General.«
    »Grüßen Sie Ihre Eltern unbekannterweise von mir. Und Sie, Strakuweit«, er wandte sich um, »seien Sie gut zu Ihrem Lottchen und ziehen Sie einen strammen Deutschen groß.«
    Er zögerte einen Augenblick. Niemand nahm ihn wahr, niemand hielt ihn in diesen letzten Sekunden des inneren Zögerns zurück. Sie erkannten es nicht in ihrer Verwunderung … da schnellte der General mit einem Schwung über den Grabenrand und rannte aufrecht durch das Kusselgelände auf die sowjetischen Linien zu.
    »Herr General!« schrie grell Oberst v. Bennewitz. Er richtete sich auf … vierzig Meter vom Graben entfernt. »Herr General! Das dürfen Sie nicht!«
    Ein Feuerstoß zwang alle in die Deckung zurück.
    Langsam, aufrecht, den Kopf weit in den Nacken geworfen, so, als sehe er in die Sonne, die seine goldenen Litzen und seine roten Rockaufschläge beschien, schritt der General auf die russischen Linien zu. Die Feuerstöße jagten an ihm vorbei … auch als Granatwerfer nach dem einzelnen Mann tasteten, ging er aufrecht weiter.
    »Holt ihn zurück!« schrie Oberst v. Bennewitz. »Strakuweit … holen Sie doch Ihren General.«
    Strakuweit schnellte aus dem Graben. Er robbte dem General nach. Er lief im Zickzack hinter ihm her und schrie.
    Der General hörte es nicht … er wollte es nicht hören. Mitten im Niemandsland blieb er plötzlich stehen. Er schraubte mit schnellen Fingern die Verschlußkapseln von den sechs Handgranaten, die er im Koppel trug. Dann sah Strakuweit, wie er nacheinander an den Reißleinen zog.
    »Herr General!« heulte er auf. Er heulte wie ein Wolf, langgezogen, gräßlich, das Gehirn zerspringend.
    Noch einmal sah der General empor. Er sah tatsächlich in die Sonne, die noch im Osten stand … die helle, sommerliche Morgensonne, die wie gleißendes Platin ist … weiß, blendend, die Wolken und den Himmel zerreißend.
    Er breitete die Arme aus, als wolle er sie umfassen … da krepierten die sechs Handgranaten vor seinem Bauch, und in einer weißgrauen Wolke sank er zusammen. Nur seine Mütze flog noch ein Stück weiter und rollte in einen Birkenbusch.
    Oberst v. Bennewitz lag auf der Erde, das Gesicht ins Gras gedrückt, und weinte. Strakuweit kroch zu dem Toten hin und zog langsam hinter sich her, was von dem General übriggeblieben war. Ein zerrissener Körper mit einem lächelnden Kopf daran.
    Selbst der Russe schwieg und schoß nicht mehr. Es war, als hielte für diese Minuten die Front wirklich den Atem an.
    Das Verhaftungskommando der SS, das gegen 10 Uhr vormittags beim Generalstab erschien, kam zu spät.
    Mit der Übernahme des Heimat- und Ersatzheeres durch den Reichsführer-SS Himmler begann in der deutschen Wehrmacht eine neue Ära.
    Nach russischem Muster wurden politische Offiziere ernannt. Jede Truppe erhielt ihn … sie sollten das Rückgrat der Armee sein, die politische Sicherheit, die ideologische Stütze, der Drohfinger aus Berlin! In Plötzensee können noch viele am Fleischerhaken hängen. Auch du, Kamerad … wenn du anfängst zu denken!
    Man nannte sie NSFO … Nationalsozialistische Führungs-Offiziere. Sie kamen zu den Einheiten meistens aus den Etappen. Junge Hengste oder alte, müde Klappergäule, die man aus den Landesschützenkompanien zusammengekratzt hatte.
    Ehemalige politische Leiter. HJ-Führer. Ordensburg-Jünger. Schneidige Draufgänger und großschnäuzige Rindviecher, die Tapferkeit durch Parolen ersetzten.
    Es war das Natürlichste in dieser politischen Entwicklung des deutschen Heeres, daß auch Leutnant Vogel als NSFO nach einer kurzen Schulung in Warschau zurück zur Truppe kam und sich wieder bei Major Willi Schneider meldete.
    Er brachte als Geschenk gleich eine Weisung des politischen Führungsstabes mit: Major Schneider hat in allen Dingen, die mit der weltanschaulichen Schulung der Truppe zusammenhängen, sich an Leutnant Vogel als NSFO zu wenden.
    »Herrlich«, sagte Major Schneider, als er den Brief gelesen hatte und ihn Vogel zurückgab. »Darf ich den Herrn Leutnant bitten, das Wort Scheiße als weltanschauliches Charakteristikum mit Genuß auszusprechen?«
    Vogel wurde rot. »Ich habe mich für Sie verwandt, Herr Major«, sagte er laut. »Sonst säßen Sie schon in Warschau.«
    »Das wissen Sie so genau?« Major Schneider schwieg. Plötzlich begriff er die

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