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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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durch möglichst wenig Arbeit zu erreichen.
    »Auch 'ne Taktik, Kumpel. Um dem Nachschub die langen Wege zu ersparen, gehen wir weit genug zurück …«
    Sie lachten. Vor ihnen, auf der Brücke über den Dnjepr, tauchten zwei Feldwebel der Feldgendarmerie auf. Der Stabsgefreite trat auf das Gaspedal und rollte an ihnen schnell vorbei.
    »Wenn die erst anfangen zu fragen, müßt ihr zu Fuß latschen!« Hinter ihnen rumpelten die Benzinfässer und Blechkanister. Strakuweit steckte den Kopf durch das Seitenfenster und blickte zurück auf den Dnjepr und die breite Holzbrücke. Leichte Feldartillerie rollte über sie hinweg … die Feldgendarmen spielten Verkehrspolizei und stoppten alle anderen Wagen. Geschütze nach vorn … Es sah herrlich aus … kriegerisch, heldenhaft, wie aus einem Buch für die heranwachsende männliche Jugend, illustriert von Kriegsmaler Meyer: Deutsche Artillerie geht nach vorn. Schwankende Geschützrohre, sich auf den Protzen festklammernde Kanoniere, Staubwolken, schnaubende Pferde … Romantik des Krieges …
    »Alles Mist«, sagte Strakuweit und warf die Zigarette aus dem Fenster auf die staubige Straße. »Wenn ich die Rollbahn sehe, habe ich'n Jucken am Hintern, als hätte ich Hämorrhoiden.«
    Sie schwenkten von der Stadtstraße auf das zwölf Meter breite Band der Rollbahn. In Staubwirbeln eingehüllt überholten sie zwei marschierende Kompanien. Links und rechts von ihnen dehnte sich das Flachland aus … Felder, die versteppten Äcker, die verunkrauteten, vereinzelten Waldpartien, über denen Rauchfahnen hingen. Dort lagen Stäbe oder Ersatzhaufen, Vorratslager oder Werkstätten, Ausbildungseinheiten oder Panzer, die auf Brennstoff warteten. Ein unübersehbares Land, übersät mit Menschen. Ein Land wie ein Schwamm, das Völker aufsaugt. Eine Weite, die schwermütig und nachdenklich macht. Und mitten darin zwei Linien, die sich kreuzen … von Norden nach Süden, quer durch einen Kontinent, die Stellung der deutschen Truppen, und von Westen nach Osten, wie eine Schnur, die sich in die Unendlichkeit abrollt, die zwölf Meter breite Straße. Die Aorta des russischen Raumes …
    Der Benzinwagen rumpelte über die aufgerissene, zerfahrene Decke der Straße. Am Rand waren – in den Staub eingeschalt – noch die Knüppeldämme des vergangenen Frühlings zu sehen … eine Fahrbahn aus runden Holzstämmen, die eine Decke über den Schlamm bilden sollten, in dem die Rollbahn zweimal im Jahre, im Herbst und im Frühjahr, versank. Dann war es, als rächte sich der Boden, über den monatelang Millionen Stiefel gestampft waren … er saugte das Leben in sich hinein, er umklammerte die Räder und Raupen, er verschlang mit Tausenden Löchern und einem grundlosen, schwabbelnden Brei Armeen und Pläne … er fraß den Krieg, den Haß der Völker, den Irrsinn der Ideologien, den Widersinn von Heldentum und Sterben und den Wahnsinn der Regierenden, ein Sieger zu sein. Er weichte Moral und Heroismus auf … Der beste Schutz Rußlands sind seine Straßen –
    Strakuweit sah hinaus auf die marschierenden Kolonnen, die sie überholten und mit Staub einnebelten. Es waren junge Burschen, frisch aus den Ausbildungskasernen der Heimat nach Rußland geworfen. Bevor sie nach vorn in die HKL gekarrt wurden, erhielten sie auf den russischen Straßen den letzten Schliff. Die ›Härte des deutschen Frontkämpfers‹, wie Leutnant Vogel es nannte und bei diesem Wort um 2 cm wuchs. Es ist etwas anderes, über die märkischen Straßen oder die Wahner Heide zu robben, in ostpreußischen Wäldern zu kampieren oder im Sennelager Panzerattrappen mit tauben Hafthohlladungen zu bekämpfen, als über eine einzige russische Straße zu marschieren … vier … sechs … zehn Stunden lang, umgeben von der schweigenden Einsamkeit unendlicher Weiten, unter einer Sonne, die gnadenlos brennt wie über der Sahara, oder durch einen Schneesturm, der das Gesicht zu einem Eiskristall macht und die müden Knochen an die Gelenke friert.
    Und so marschierten sie … Kilometer um Kilometer. Noch nie ist der deutsche Infanterist an den Ort seines Sterbens gefahren worden … Wozu der Luxus? Das kostbare Benzin war für die Flieger und die Panzer, für die schwere Artillerie und den Nachschub, für den Chefwagen und die Stäbe und für die Zahlmeister, die kontrollierten, ob auch nicht zehn Gramm mehr Lebensmittel aus den Lagern an die Front gefahren wurden. Was dem deutschen Soldaten zusteht, das bekommt er … aufs Gramm genau. Nicht

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