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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Statt dessen Ausbildungskompanie … Abstellung zum Unterführerlehrgang … Frontbewährung … Zurück zum Offizierslehrgang … Fähnrich … Oberfähnrich … Acht Wochen Front … Offizierspatent … Ein lauter Kasinoabend als Feier, vielleicht ein paar rote Lippen, die ihn küssen und ihm eine Ahnung schenken von dem, was Leben ist … eine Nacht nur, ein paar winzige Stunden, die sein ganzes 21 jähriges, junges Leben erfüllen … Zurück nach Rußland, mit einem Haufen Milchgesichter in Marsch gesetzt über die Rollbahn … Richtung Osten … Und nun liegt er da … von der Schulbank weg zum Helden gemacht …« Leskau wischte sich über die Augen. »Wofür …?«
    Strakuweit klopfte ihm auf die Schulter. »Werd nicht sentimental, Fritz. Komm – unser Karren ist flott geblieben. Wir rollen weiter … In Dubrassna wartet Kunze. Wenn ich dem davon erzähle, wird er blaß und geht hinters Haus, um zu kotzen!«
    An ihnen vorbei rollte eine Autokolonne. Ein alter, starker Horch, drei Kübelwagen, ein französischer Beutewagen. Der Horch trug einen Stander … im Vorbeirasen sahen sie rote Spiegel und goldenes Eichenlaub.
    Strakuweit steckte die Hände in die Tasche. »Ein General! Kinder … der fährt die gleiche Richtung wie wir … jetzt nichts wie hinterher! Das ist die beste Lebensversicherung, hinter einem General herzufahren …«
    An den Trümmern zusammengeschossener Wagen und Protzen vorbei, die von der Rollbahn weg zur Seite auf die Felder geschoben wurden, jagten sie mit klappernden Fässern und Kanistern der Staubwolke nach, welche die Autokolonne vor ihnen aufwirbelte. Bei Ossinowka bogen sie von der Rollbahn ab und rollten vorsichtig durch ein Kusselgelände über eine schmale, sonnverbrannte Nebenstraße nach Rossasana.
    Strakuweit war umgestiegen. Er hockte hinten vor den Fässern, den Karabiner in der Hand. Neben dem Stabsgefreiten sah Leskau aus dem Fenster, das Gewehr schußbereit auf die heruntergekurbelte Scheibe gestützt.
    Partisanenland.
    Sieben Wagen waren auf der Fahrt von Ossinowka bis Rossasana bisher aus dem Hinterhalt zusammengeschossen worden. Zwischen den Wellen des Landes, hinter Büschen und von Bäumen herab tauchten sie auf … vernichteten die überraschten Deutschen und gingen wieder unter in der Weite des russischen Raumes.
    Sie fuhren langsam, tastend, sichernd. 2.000 Liter Benzin fuhren mit ihnen. 2.000 Liter, auf die man an der Front wartete wie auf Wasser für einen Verdurstenden.
    Mit verkniffenem Gesicht saß der Stabsgefreite hinter dem Steuer. Leskau tastete mit seinen Blicken die Bodenwellen und Büsche vor sich ab. Hinten hockte Strakuweit auf einem Benzinfaß, aß ein Stück Schoka-Cola und beobachtete das Land, das sie hinter sich ließen.
    Drei Stunden lang. Sie zerrten an den Nerven, sie weichten mit Schweiß die Uniformen durch.
    Werden sie kommen? Wo liegen sie versteckt? Oder lassen sie uns vorbei?
    Der Krieg hatte für Leskau und Strakuweit wieder begonnen.
    Sanitäts-Unteroffizier Heinrich hatte seinen Wagen neben dem Rathaus abgestellt und bummelte nun durch das kleine polnische Städtchen in den Frühsommermorgen hinein.
    Er war zum erstenmal in Nasielsk und verdankte das seinem Stabsarzt, der am vergangenen Abend zu ihm gesagt hatte: »Heinrich, fahren Sie mal 'rüber nach Nasielsk und sehen Sie mal nach, wo die Bummelanten mit den versprochenen Kartons Zellstoff bleiben.«
    Nasielsk, in der Nähe des Flüßchens Wkra gelegen, nördlich der alten Polenfeste Modlin, gegen die jahrhundertelang die Eroberer Polens anrannten und deren unter- und oberirdische Kasematten mehr einem Labyrinth als einer Feste gleichen, ist eine polnische Kleinstadt wie hundert andere Städtchen. Ein Marktplatz, eine Kirche, ein Rathaus, eine Apotheke, eine Schule, ein kleines Getto, ein Hotel und viel Einsamkeit um alles herum. Weite, Wälder aus Birken und Kiefern, Wiesen, Felder mit wogendem Getreide, in Baumgruppen versteckte Herrenhäuser großer Güter. Und über allem die glühende Sommersonne, die das Land dampfen läßt und die Nachtfeuchtigkeit flimmernd in den wolkenlosen Himmel zieht.
    Walter Heinrich schob sein Schiffchen etwas in den Nacken und öffnete zwei Knöpfe der Feldbluse. Die Zellstoff-Kartons waren unterwegs … sie hatten friedlich in einer Ecke des Nachschubmagazins gelegen, und der Feldwebel, der die Ausgabe gewissenhaft in dicken Kladden notierte, hatte sehr erstaunt getan. »Was? Ihr seid das? Kinder, hättet ihr euch doch früher schon gemeldet!

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