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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Munde führenden Bewegung inne und starrte auf die Straße. Vor ihnen spritzten die marschierenden Kolonnen auseinander über die Felder und hechteten die Fahrer von ihren Fahrzeugen weg.
    »So eine Scheiße!« brüllte er, ließ die Apfelsine fallen und riß die Tür auf. Im gleichen Augenblick schrie Leskau.
    »Flieger von rechts!«
    Über die Rollbahn hinweg jagten drei russische Maschinen und kämmten die Straße mit ihren überschweren Maschinengewehren ab. Ihre roten Sterne unter den blitzenden Tragflächen leuchteten in der Sonne.
    Von dem Wagen weg jagten Strakuweit, Leskau und der Stabsgefreite zu einem Loch neben der Rollbahn und warfen sich hin. Sie zogen die Köpfe ein und schmiegten sich eng an die Erde. Über sie hinweg donnerten die Motoren der drei Jäger und jagten einen kalten Luftstrom über ihre Körper.
    Auf der anderen Seite der Straße lagen Landser auf dem Rücken und beschossen mit einem leichten MG die Maschinen. Während zwei das Maschinengewehr an dem Spreizfuß festhielten, drückte der dritte den Abzug durch. Fünfzig Meter neben ihnen schrie ein Leutnant und gab Entfernungen an. Ein Zug Infanterie schoß mit seinen Karabinern hinter den russischen Jägern her. Verlassen, durchsiebt von Geschossen, standen die Wagen und Geschütze auf der Rollbahn.
    Strakuweit hob den Kopf und sah empor in den blaßblauen, glutenden Sommerhimmel. Über sein Gesicht zog ein roter Streifen … Beim Niederfallen war er mit der rechten Wange über einen spitzen Stein geglitten. Das Blut tropfte ihm über das schmutzige Gesicht und lief in seinen offenen Kragen.
    »Sie kommen wieder, Fritz …«
    »Und ich habe 2.000 Liter Sprit aufm Wagen.« Der Stabsgefreite schluckte. »Wenn die hochgehen, gibt's ein Begräbnis erster Klasse mit Feuerwerk und Musik!«
    Die drei russischen Jäger hatten gedreht und brausten, sich dicht über den Boden haltend, wieder zurück auf die Straße. In einem weiten Bogen kamen sie heran und flogen dann die Rollbahn der Länge nach ab … Aus ihren Kanzeln und von den Tragflächen spuckten sie die Vernichtung in die Massierung von Wagen und Menschen auf und neben der Straße.
    Die drei MG-Schützen auf der anderen Seite sanken in den Staub. Sie wurden wie von einer Riesenfaust zur Seite gefegt und warfen dann die Arme hoch. Der junge Leutnant rollte am Straßenrand wie eine steife Puppe einen kleinen Hang hinab auf das Feld und schrie dabei mit greller, junger, fast knabenhafter Stimme.
    »Sanitäääääter! Sanitääääter!«
    Leskau wollte aufspringen, aber die harte Hand Strakuweits drückte ihn auf die Erde zurück.
    »Denk an Inge, Fritz …«
    »Theo – der Leutnant –«
    »Einmal krepieren wir alle! Nur heute soll's nicht sein!«
    »Wie er schreit! Hör doch, Theo …«
    Strakuweit nahm den Kopf wieder hinunter. Über sie hinweg jagten die russischen Jäger. Neben ihnen zog eine dampfende Geschoßbahn über die Straße, wurde die Erde perforiert … Schuß an Schuß … fein säuberlich, keinen Meter auslassend … Ein Strich des Todes …
    »Zwanzig Zentimeter daneben«, sagte Strakuweit und drehte im Liegen den Kopf zu Leskau. Hinter ihnen schrie noch immer der junge Leutnant. Zwei Mann seiner Gruppe waren bei ihm und schnitten ihm die Uniform auf. Er lag auf dem Bauch und biß in die Erde. Bei jedem Schrei schnellte sein Kopf empor und spuckte den Sand und Lehm aus. Sein Rücken war aufgerissen … zwischen den blutigen Fleischfetzen quoll ein heller, zitternder zerfetzter Klumpen hervor. Die Lunge …
    Einige hundert Meter weiter feuerte eine Flak. Auch weiter nach Orscha zu hörte man das rhythmische Hämmern leichter Flugabwehrkanonen. Im Blau des Himmels verloren sich wie sich auflösende Wolken die blanken, blitzenden Leiber der drei russischen Jäger. Der Stabsgefreite erhob sich und griff in seine Hosentasche.
    Er holte die halb gegessene Apfelsine hervor und aß sie weiter. Der junge Leutnant schwieg. Er lag auf dem Bauch, die Arme weit nach vorn gestreckt. Die beiden Landser deckten ein altes, graues Taschentuch über seinen Kopf und legten die aufgeschnittene Jacke über den Rücken mit der hervorgequollenen Lunge.
    Strakuweit wischte sich das Blut von der Wange. Er tastete mit den Fingern den Riß ab und sah hinüber zu der Gruppe, die sich um ihren toten Leutnant scharte.
    »Junger Kerl«, sagte er leise.
    »21 Jahre.« Leskau setzte sich an den Straßenrand. »Vier Jahre Volksschule, neun Jahre Gymnasium, Abitur … Die große Sehnsucht: Chemie studieren.

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