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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bisher unbequem gelegen, und hob noch einmal die Hand. Wie ein Gruß war es, wie ein stilles Abschiednehmen. Dr. Wensky legte eine Zeltplane über ihn und löschte das Licht. Er legte sich im Nebenraum auf das zweite Bett und sah zu Major Schneider hinüber. Aber er weckte ihn nicht. Er sah den umklammerten Zipfel des Strohsackes und drehte sich still auf die andere Seite …
    In Dubrassna verreckte in dieser Nacht auch der kleine Schütze Brehm.
    Er starb nicht … er verreckte. Man konnte es nicht anders nennen, auch wenn Leutnant Vogel an seinem Lager stand und ihm mit dem heroischen Wort »Großdeutschland wird für dich weiterleben, Kamerad« die Augen zudrückte und Hauptfeldwebel Kunze angstzitternd daran dachte, daß es jetzt wieder ein Begräbnis geben würde mit Gesang. Er nahm sich vor, nachher bis zum Morgen heimlich in seiner Schreibstube zu üben.
    Der kleine Brehm verreckte wie ein Tier. Da ihn Major Schneider nicht mit zu dem einzigen Arzt des Abschnittes, zu Stabsarzt Dr. Wensky, genommen hatte, weil der Russe wichtiger war, und Leutnant Vogel es seinerseits nicht wagte, mit einem Wagen der 5. Kompanie den Sterbenden zum Bataillonsarzt nachzuschicken, um – wie gesagt – die Behandlung des Russen nicht zu unterbrechen, schlug der kleine Brehm röchelnd um sich, spuckte Blut, schrie gellend nach seiner Mutter und erbrach die halbe, zerfetzte Lunge.
    Kunze stand zitternd dabei, als Müller III und der Troßsanitäter dem kleinen Brehm den Mund auswuschen und ein schmerzstillendes Mittel injizierten. Leutnant Vogel stand hoch aufgerichtet und starrte hinaus in die Nacht und über das schweigende Dorf. »Der Heldentod ist die Erfüllung des Mannes«, hatte er einmal in einer Schulungsstunde gesagt. Nun wagte er nicht, sich umzublicken, und die Schreie Brehms fuhren ihm bis ins Mark.
    »Mutter«, wimmerte er. Und plötzlich drehte er sich auf die Seite und weinte. »Mama, o Mama«, schrie er kindlich. »Mama … komm doch … komm doch, Mama … Oh, oh …«
    Er röchelte schrecklich, Blut schäumte aus seinem Mund und vermischte sich mit dem Schreien zu einem hellen Zischen. Mit einem Ruck setzte er sich plötzlich hoch und starrte Kunze an.
    »Papa …«, stammelte er und blies den blutigen Schaum aus dem Mund. »Papa … bist du es? Ich habe nichts getan … bestimmt nicht … Ich bin nur gelaufen … nur gelaufen … Papa … ich … ich …« Er schlug mit den Armen um sich und starrte Kunze aus leeren, schon gestorbenen Augen an. Sein Kopf fiel auf die Brust, er schwankte und Müller fing ihn auf und legte ihn zurück.
    »Jetzt hast du Ruhe, mein Junge«, sagte er mit unendlicher Zärtlichkeit. Leutnant Vogel trat heran und drückte dem kleinen Brehm mit seinen markanten Worten die starren Augen zu.
    »Auch Dr. Wensky hätte ihn nicht retten können«, sagte er wie um Verzeihung bittend.
    Er erhielt keine Antwort. Der robuste Küchenbulle Feldwebel Müller III kniete neben dem kleinen Brehm und betete leise. Selbst Kunze schwieg. In diesem Augenblick haßte er Vogel.
    Niemand hat es gern, zu sehen, wie er einmal vielleicht selbst verrecken würde …
    Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt: 23. Juni 1944.
    … Im mittleren Frontabschnitt haben die Bolschewisten mit den erwarteten Angriffen begonnen. Die auf breiter Front mit Panzer- und Schlachtfliegerunterstützung geführten Angriffe wurden in harten Kämpfen abgewiesen, örtliche Einbrüche in sofortigen Gegenstößen bereinigt. Beiderseits Witebsk sind noch erbitterte Kämpfe im Gange …
    Theo Strakuweit aß gerade eine Büchse kalten Rindfleisches und hielt dabei einen Vortrag über die Verbindung von Fleischessen und gesteigerter Potenz, als über dem Wald von Bajewo Motorengebrumm ertönte und der Himmel durchzogen wurde von tief gestaffelten sowjetischen Kampfgeschwadern. Im gleichen Augenblick, wie ein Schlag, setzte die russische Artillerie ein … aber es waren nicht einige wenige Geschütze, wie in den vergangenen Tagen, sondern der ganze Wald von Bajewo schien eine feuerspeiende Landschaft zu werden, ein Klumpen schwerer und schwerster Geschütze.
    Der Feuerschlag kam so plötzlich und war so vernichtend, daß Strakuweit seine Büchse Rindfleisch erst hinsetzte, als wie durch den Hieb einer Riesenfaust das Grabensystem der 5. Kompanie zermalmt wurde und Strakuweit mit dem Kopf gegen die Bunkerwand flog.
    Leskau fiel in den Unterstand und wischte sich über die Stirn. »Alles 'raus!« schrie er außer Atem.
    Strakuweit warf seine

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