Die Rollbahn
flüchtende Schlange. Ihm folgte Leskau mit drei Mann, die den verwundeten Russen mitschleiften. Die Rückendeckung bildete Lönne mit seinem MG. Er sprang in langen Sätzen hin und her, warf sich nieder, schoß ein paar Feuerstöße, schnellte auf, raste zur Seite, warf sich hin und schoß. Immer und immer wieder, wie ein Wiesel … Stellungswechsel, zurück, zur Seite … ihm folgte der junge Schütze mit den Munikästen, schwitzend, stolpernd, mit leeren Augen, dem Schatten Lönnes nachjagend, als klebe er an ihm.
Als sie aus der Bodensenke herausstürzten, hämmerte Major Schneider mit beiden Fäusten gegen die Grabenwand.
»Da sind sie!« schrie er gellend. »Sie leben! Faber – sie leben! Teufelskerle! Teufelskerle!« Er rannte durch den Graben zu einem MG, stieß den verwundeten Schützen zur Seite und warf sich hinter den Kolben. Nach einigen kurzen Feuerstößen ergriff er das heiße MG, schnellte aus der Deckung und lief der kleinen Gruppe entgegen. Oberleutnant Faber griff sich an den Kopf.
»Das ist doch Irrsinn«, brüllte er. »Er läuft ja in das Feuer hinein!«
Die deutsche Artillerie legte jetzt einen Vorhang zwischen den russischen Drahtverhau und der Mulde. Sie schoß genau … der vorgeschobene Beobachter gab präzise Maße … auf den Boden gedrückt lagen die sowjetischen Gruppen und schossen mit Granatwerfern und Gewehrgranaten auf den kleinen Haufen, der um sein Leben lief, sich fallen ließ, robbte, in Granattrichter stürzte und wieder aufsprang, verbissen, schweißüberzogen, verdreckt … zwischen sich zwei Körper schleppend.
Major Schneider lag am deutschen Verhau und schoß auf die zurückgehenden russischen Trupps. Sein Gesicht glänzte. Er hatte die Brille auf die Stirn geschoben und lag hinter seinem MG wie auf einem Übungsschießplatz. Ruhig, ohne jede Hast, jagte er seine Feuerstöße hinaus, visierte die springenden dunklen Punkte an und schoß an den deutschen schwankenden Gestalten vorbei, so, als wolle er ihnen die Gasse zeigen, die zurück ins Leben führte.
Kurz vor Erreichen des deutschen Minenfeldes fiel der Gefreite Lönne. Er jagte mit seinem MG 42 hinter Leskau und Strakuweit her, der Brehm jetzt über seine breite Schulter geworfen hatte und keuchend wie eine Lokomotive über die Erde stampfte, nach vorn gebückt, den Blick starr auf die Erde. Als Lönne sich wieder umdrehen wollte, um noch einmal das Gelände abzukämmen, platzte vor seinen Füßen eine Gewehrgranate. Es war ein Zufallstreffer, einer jener dummen Schüsse, die eigentlich nicht möglich sind und die plötzlich zu einem Schicksal werden.
Karl Lönne, der kleine, zähe, immer fröhliche Gefreite, der Bäckerssohn aus Sarkau auf der Kurischen Nehrung, hörte nicht einmal mehr den dumpfen Krach des Einschlages. Von Hunderten kleinen Splittern zerfetzt, machte er einen Satz zur Seite, den letzten Schritt seines kurzen Lebens, das MG fiel zu Boden und bohrte sich mit dem Lauf in die Erde, der Junge mit den Munikästen schrie auf … »Karl!« schrie er gellend. »Mensch, Karl! Mach keinen Quatsch!« – dann fiel er der Länge nach hin, als habe man einen Baum gefällt. Sein Gesicht war eine einzige blutige, schwammige Masse.
Als habe der Tod damit sein Soll erfüllt, schwieg auf der russischen Seite das Feuer. Nur die deutsche Artillerie und der wild in die Nacht feuernde Major Schneider erfüllten die Nacht mit Lärm. Stolpernd erreichten die sechs Mann den Graben und fielen Faber und Vogel fast vor die Füße. Major Schneider kam zurückgerannt, das MG geschultert, und warf es Vogel zu, der es unglücklicherweise am heißen Lauf packte und aufstöhnte.
»Der Gefangene?« schrie Schneider. Wortlos deutete Leskau auf den dunklen Klumpen, den man in den Graben geworfen hatte. Strakuweit legte gerade Brehm auf die Erde … ein Sanitäter begann, ihm den Uniformrock aufzuschneiden.
»Ein verwundeter, vernehmungsunfähiger Russe? Was soll ich damit?« brüllte Major Schneider. »Ich habe befohlen, einen Gefangenen!«
»Herr Major.« Leskau lehnte keuchend an der Graben wand. »Wir haben …«
»Mist haben Sie gemacht, Unteroffizier! Wenn ich befehle – einen Gefangenen –, dann hat er dazusein! Für das, was Sie gemacht haben, war jeder Schuß zu schade!«
Faber biß sich auf die Lippen. Er vermied es, Leskau anzusehen. Leutnant Vogel beugte sich über den Russen und wurde blaß. Das Gehirn, das an dem Gehirnschalenspalt klebte, nahm ihm die Haltung.
»Er stirbt«, sagte er stockend.
»Er darf
Weitere Kostenlose Bücher