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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bis Bobruisk, von Kowel bis Tarnopol. Die gesamte russische Front vom Peipussee bis zu den Karpaten war in Bewegung geraten.
    Nach Westen, hieß es! Jagt die Deutschen aus dem Land! Kämpft für Rußland und Stalin. Denkt an euer geschändetes Mütterchen Rußland, ihr Bolschewiki! Kennt keine Gnade, kennt kein Verschnaufen, keine Atempause, keine Angst vor dem Sterben. Jagt sie hinaus … über den Dnjepr, über die Beresina, über den Pripjet, über den Bug … jagt sie wie Hasen, schießt sie ab wie Wolfsrudel … Es geht um euer Mütterchen, soldatskij … es geht um das tausendjährige Rußland …
    In Molodetschno stand der General an seinem Kartentisch, als die Meldung von dem Beginn der russischen Offensive eintraf. Er sah seinen Ia lange an, ehe er leise sagte:
    »Und was nun, Bennewitz?«
    Oberst v. Bennewitz hob die Schultern. »Wir müssen die Front halten, Herr General.«
    »Halten!« Der General beugte sich über seine Karte. »Wir haben 38 Infanteriedivisionen. Davon stehen 34 an der Front. Drei liegen in Reserve … drei Divisionen Reserve, Bennewitz! … und eine Panzerdivision, der der Sprit fehlt! Die 6. Luftflotte verfügt über ganze 40 einsatzbereite Jäger … das ist alles! Und Sie sagen: Wir müssen die Front halten!«
    »Wir haben Auffangstellungen am steilen Dnjeprufer, zwischen Stary Byschoff und Orscha und an der Beresina. Wenn wir den Brückenkopf jenseits des Dnjepr räumen, haben wir eine gerade, verkürzte und schlagkräftige neue Front, die solange halten kann, bis die Divisionen bei Witebsk wieder Fuß gefaßt haben.«
    Der General starrte auf die große Karte. Auf seiner Stirn stand Schweiß. Kalter Schweiß, den er nicht wegwischte und der auf der Haut brannte.
    »Ich habe es dem ›Führer‹ und dem Feldmarschall Busch am 14. Juni gesagt: Wir brauchen eine Verstärkung! Der Aufmarsch der Russen ist klar wie nie ein Aufmarsch. Wir müssen die Mitte stärken, denn hier wird der Schwerpunkt der Offensive sein. Und was erhalte ich von Hitler zynisch zur Antwort? ›Sind Sie einer der Generäle, die nach hinten blicken?‹ Da habe ich geschwiegen, Bennewitz. Jetzt ist es zu spät … die unerbittliche Geschichte gibt mir recht!«
    Oberst v. Bennewitz sah aus dem Fenster des kleinen Gutshauses hinaus, in dem der Generalstab lag. Kuriere auf schweren Motorrädern fuhren auf den Hof, sie waren verdreckt, müde, ausgelaugt. In ihren Augen lag das Grauen, das sie von der Front zurücktrugen in die trügerische Stille des kleinen Uscha-Städtchens.
    Einbrüche bei Witebsk … eine Frontlücke bei Mogilew … nördlich Bobruisk ein breiter Einbruch … die Front wankt …
    Der General las die Meldungen durch.
    Nordwestlich Witebsk Angriff der ›1. baltischen Front‹ unter Bragamyan.
    Südöstlich von Witebsk die ›3. weißrussische Front‹ unter Tschernjakowski.
    Bei Orscha und Mogilew die ›2. weißrussische Front‹ unter Zakharow.
    Hunderte beste, ausgeruhte, bis an die Zähne bewaffnete Divisionen gegen 38 deutsche, ausgeblutete, müde, zusammengeschrumpfte, hoffnungslose Divisionen.
    Der General sah Oberst v. Bennewitz an. In seinen Augen lag eine Leere, die Bennewitz maßlos erschreckte.
    »Was sagt das Führerhauptquartier?«
    Bennewitz legte einen Zettel auf den Tisch.
    »Stellungen halten! Einbrüche bereinigen. Der bisherige Frontverlauf ist nicht zu ändern …«
    Der General sah Oberst v. Bennewitz entsetzt an. »Ist das ein Irrer, der diese Befehle gibt?«
    »Es ist der ›Führer‹, Herr General. Der genialste Feldherr aller Zeiten.«
    Wortlos verließ der General den Raum …
    In Dubrassna veranstaltete Hauptfeldwebel Kunze gerade einen friedensmäßigen zackigen Kleiderappell mit seinen Troßleuten, als der vernichtende Feuerschlag über das Land niederging.
    Der kleine Brehm, der an diesem Tage beerdigt werden sollte, wurde noch einmal durch einen Volltreffer in die Küchenscheune durch die Luft gewirbelt und kam stückweise wieder zur Erde zurück. Feldwebel Müller III, der dabei überrascht wurde, wie er Trockenkartoffeln in einem Wassereimer aufweichte, wurde der Rücken aufgerissen. Schreiend, den Wassereimer mit den Trockenkartoffeln umklammernd und vor sich hertragend, schwankte er rennend durch die Einschläge, bis er auf der Dorfstraße zusammenbrach und in einer neuen Detonation unterging. Was man später von ihm wiederfand, war nur der Wassereimer mit einer Hand am Henkel.
    Simpelmeier lag hinter der Schreibstube in einem Einmannloch und hatte die Hände

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