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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Büchse Rindfleisch weg und kroch aus dem Bunker. Im Tiefflug jagten die sowjetischen Maschinen die Linie entlang und kämmten mit Bordwaffen die Gräben ab. Dazwischen setzten sie ihre Bomben, während Staffel auf Staffel am Himmel weiter nach hinten zog und die deutschen Artilleriestellungen umpflügte.
    Aus dem Wald von Bajewo spie die Artillerie den Tod tausendfach auf die deutschen Linien. Es gab keinen Himmel und keine Erde mehr, keine Sonne und kein Gras … die Welt bestand nur aus Krachen und Bersten, Schreien und Jammern, Fontänen aus Erde und Dreck aus surrenden, heißen Splittern, die mit einem klatschenden Laut in die zuckenden Körper hieben.
    Leskau und Strakuweit lagen in einem Granattrichter und preßten sich an die Wand. In einem Trichter ist man sicher, ist eine alte Landserweisheit. Es ist ein verdammter Zufall, wenn eine Granate genau in das Loch einer anderen schlägt. Um sie herum bebte der Boden und brüllte eine Welt der Vernichtung auf. Als Strakuweit einmal kurz den Kopf hob, sah er, wie die Bretter des Bunkers II in die Luft wirbelten. Zwischen ihnen und hochgeschleuderter Erde pendelten wie hochgeworfene Puppen graue Körper durch die Luft … halbe Leiber, Arme … ein Schädel … ein Rumpf … Strakuweit zog den Kopf zurück.
    »Die ganze Gruppe Brunner«, schrie er Leskau ins Ohr.
    Die Flugzeuge kreisten über ihnen. Strakuweit stellte sich tot … er legte sich auf die Seite, verrenkte den Körper und schob den Helm über sein Gesicht. Er hörte, wie um ihn herum die überschweren Geschosse der Bordwaffen einschlugen. »Schweine«, stöhnte er in seinen schweißigen Stahlhelm hinein. »Sie schießen sogar auf Tote!«
    Vier Stunden hämmerte die Artillerie aus tausend Rohren auf die deutschen Stellungen. Nicht nur auf die der 5. Kompanie … von Witebsk bis Bobruisk, auf der Front der gesamten Heeresgruppe Mitte setzte auf die Sekunde genau das Vernichtungsfeuer ein und marschierten unter dem Schutz starker Fliegerverbände, die die deutsche Artillerie niederhielten, Tausende von schweren Panzern auf … ein stählerner Lindwurm, eine feuerspeiende Walze, ein Jüngstes Gericht, das sich träge, aber unbeirrt und unangefochten auf die deutschen Stellungen wälzte.
    Der 21. Juni 1944.
    Der Hochzeitstag des Majors Willi Schneider.
    Er rasierte sich gerade, als der Feuerschlag die HKL zermalmte und die schweren Artilleriegeschosse die rückwärtigen Stellungen, die Troßdörfer, die Nachschublager und Bataillonsgefechtsstände zusammenhämmerten.
    Verblüfft, mit offenem Mund sah er Dr. Wensky an, der von einer Druckwelle in den Raum geschleudert wurde und sich die Haut der rechten Gesichtshälfte an der Holzwand abgeschabt hatte.
    »Die Offensive«, sagte Major Schneider starr. »Da ist sie, Doktor … Jetzt behüte uns Gott, und der Teufel stehe uns bei!«
    Er stürzte, so wie er war, in Hemd und Hose, die eine Gesichtsseite noch voller Rasierschaum, aus dem Bauernhaus und prallte auf Leutnant Bergmann, den Bataillonstruppführer. Er blutete an der linken Hand und hatte seine Maschinenpistole um den Hals hängen. Um sie herum schlugen die schweren Granaten ein, und über ihnen zogen die Staffeln der sowjetischen Kampfflugzeuge durch den Himmel, kreisten über das Land, gingen im Sturzflug herunter und beschossen die Nachschublager und die überraschten Artilleriestellungen.
    »Die 4. Abteilung ist vernichtet«, keuchte Leutnant Bergmann. »Von der HKL keine Nachricht. Die Verbindungen sind alle gerissen. Auch zum Regiment ist die Leitung zerstört.«
    »Störungssucher 'raus!« brüllte Major Schneider. Er starrte in den Himmel, wo ungehindert die schweren russischen Maschinen kreisten. »Wo ist denn unsere Luftwaffe? Wozu haben wir die 6. Luftflotte in unserem Raum? Wo bleiben die Kanaken?«
    Er warf sich in den Dreck, weil über ihm ein dumpfes Orgeln ertönte. Zwanzig Meter von ihm entfernt hob sich der Boden hoch, brach der Leib der Erde auf, quoll eine riesige Wunde über, entstand ein Vulkan. Schneider und Bergmann schlossen die Augen. Als sie sie wieder öffneten, gähnte vor ihnen ein Loch, in dem sich brodelnd das Grundwasser sammelte.
    »35-cm-Geschütze«, sagte Bergmann leise. Schneider nickte.
    »Und sie sind vor unseren Augen aufgefahren, und wir haben nichts gehört, gemerkt, gesehen. Es ist zum Kotzen!« Er sprang auf und riß Bergmann mit. »Ich muß Verbindung zum Regiment haben. Ich muß wissen, ob überall die gleiche Scheiße ist.«
    Sie war überall!
    Von Witebsk

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