Die Rollbahn
plötzlich die Arme herunter. Mit einem Ruck zerriß er ihre morsche Bluse und umklammerte mit beiden Händen ihre straffen Brüste. Er krallte die Nägel hinein und drehte die Hände, bis sie grell aufschrie und sich unter seinem harten Griff wand. »Du hast mit den Deutschen gehurt«, brüllte Igor und schlug Tamara ins Gesicht. Mit der anderen Hand umklammerte er noch immer ihre eine Brust und drückte sie damit gegen die Rückwand, daß sie sich nicht rühren konnte. »Gestehe es, du Saumensch! Du läufige Füchsin! Du bist von den Deutschen geschickt worden! Du bist ihr Spion!«
Tamara schüttelte den Kopf. Sie schlug um sich, ballte die Fäuste und zielte nach den Augen Igors. Sie wußte, daß es ihr Ende war, daß sie nichts mehr zu verlieren hatte … aber sie wollte nicht kampflos untergehen, sie wollte zeigen, daß sie eine Russin war, die Tochter eines Partisanen, den die Deutschen erschossen.
Leutnant Graschin wich den Schlägen aus. Er duckte sich, unterlief sie und stürzte sich auf sie.
Eine Stunde später hatte die mißhandelte Tamara die Gruppe Schneider verraten.
Igor saß vor ihr auf einem Baumstumpf und betrachtete sie wie einen toten Gegenstand. Hinter ihm hielt Fedja mit breitem Grinsen ein Stück Eisendraht in helles offenes Feuer. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Tamara auf den kleinen Kalmücken.
»Nein, Igor«, sagte sie stammelnd. »Nicht das … Ich will alles für euch tun … nur das nicht, Igor. Bei der Mutter Gottes …«
»Wer ist Gott?« fragte Igor gleichgültig. »Ich kenne den Genossen nicht. Ist er General? Oder nur Unteroffizier wie Fedja Poltansky? Ruf den Genossen Gott doch, Tamaraschka …«
Der Kosename wirkte wie ein Peitschenschlag, Tamara schwankte.
»Ich habe euch alles gesagt. Ich schwöre es euch, Genossen. Ich habe nichts verschwiegen …«
»Wir glauben dir ja. Unser Spähtrupp hat sie längst gefunden, deine kleinen geilen Füchse. Und wir werden sie abschießen wie lahme Füchse … nur deinen Liebling werden wir schonen, deinen Hauptfeldwebel Kunze, mein Täubchen. Vor deinen Augen soll er hängen, an den Armen emporgezogen, bis er verhungert und die Krähen aus seinen Augen ihre Nahrung picken!« Igor wandte sich zu Fedja um. »Wie weit bist du?«
»Gleich fertig, Genosse Leutnant.«
Tamara schloß die Augen. Durch ihren mißhandelten Körper lief ein heftiges Zucken. Als sie einen Moment die Augen öffnete, sah sie Fedja mit breitem Grinsen auf sie zutreten. In der Hand hielt er seinen glühenden Eisendraht. Das Griffende hatte er der Hitze wegen mit Lumpen umwickelt. Die ganze asiatische Grausamkeit lag in seinem Blick, eine solche Tiefe von Gemeinheit und Mitleidlosigkeit, daß sie aufschrie und die Hände vor ihr Gesicht schlug.
Jemand riß ihr die Arme herunter. Hände faßten sie, Arme schlangen sich um ihren Leib, ihre Brust … ihr Kopf wurde nach hinten gerissen, so daß ihre Stirn fast waagerecht lag. Sie wollte noch einmal schreien, als sie der wahnsinnige Schmerz durchfuhr und der Geruch verbrannten Fleisches in ihre Nase drang.
Meine Stirn, dachte sie. Sie brennen mir etwas auf meine Stirn. O Gott … o Mutter Gottes … Oh … oh …
Dann verlor sie das Bewußtsein und sank in den Armen der sie umfassenden Männer zusammen.
Die Gruppe Schneider hatte sich wieder eingeigelt. Von dem Voraustrupp war Alarm gekommen. Ein Spähtrupp war in Feindberührung gekommen und zusammengeschossen worden. Der Wald wimmelte von Partisanen … sogar im Rücken zog sich die Nachhut kämpfend auf den Haupttrupp zurück.
Leutnant Vogel schien zum erstenmal recht behalten zu haben, selbst Major Schneider sah es ein. Tamara mußte die Gruppe verraten haben. Der Angriff der Partisanen kam so konzentriert und genau placiert, daß es kein Zufall mehr war, sondern ein organisierter Sturm.
In einem weiten Kreis lag die Gruppe. Die Maschinengewehre waren durchgeladen, der Granatwerfer stand neben dem Wagen. Strakuweit hockte hinter dem Steuer. Noch wußte man nicht, ob es nur Infanterie war, die sie angriff. Gegen sie konnte der schwere Raupenwagen wie ein Panzer eingesetzt werden. Wenn auch nicht die ganze Gruppe, so konnte doch ein Teil der Soldaten mit ihm einen Durchbruch erzwingen und den Dnjepr erreichen, falls nicht neue Partisanenriegel direkt am Ufer alle Aussichten auf Rettung zunichte machten.
Stumm, mit verschlossenen Gesichtern, ausgemergelt, stoppelbärtig, am Ende ihrer physischen und seelischen Kraft lagen die zweiunddreißig Mann der
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