Die Rollbahn
Hauptgruppe hinter ihren Maschinengewehren und den Karabinern, den Maschinenpistolen und dem kleinen Granatwerfer.
Stabsarzt Dr. Wensky lag neben Major Schneider. Auch er hatte ein Gewehr in der Hand. Hier gab es kein Rotes Kreuz mehr, keine Genfer Konvention, keine Haager Landkriegsordnung. Hier gab es nur noch Tod und Vernichtung, grausamen Haß und gnadenloses Sterben. Oberleutnant Faber lag neben einem MG als Schütze 2 und gurtete Patronen. Schütze 1, Unteroffizier Leskau, hatte den Kolben an die Schulter gezogen und den Finger am Abzug. Er starrte in das Dickicht vor sich und war bereit, auf die geringste Bewegung zu schießen.
Neben dem Granatwerfer hockte Leutnant Vogel. Er hatte Hauptfeldwebel Kunze bei sich, der die Granaten zureichen sollte. Beide waren blaß und vermieden es, sich anzusehen. Die Angst in ihren Augen, in ihren bebenden Händen war beschämend. Aber sie zwangen sich, sie nicht zu zeigen. Sie bissen die Lippen aufeinander. Sie wurden Helden aus der Erkenntnis heraus, daß es jetzt wirklich um ihr nacktes Leben ging.
Strakuweit war der erste, der von seinem erhöhten Sitz aus etwas sah. Er riß seine russische Maschinenpistole hoch, ging hinter der gepanzerten Seitenwand des Führerstandes in Deckung und schickte einen Feuerstoß über die Köpfe seiner Kameraden hinweg in den Wald.
Es war wie ein Signal. Der Wald wurde lebendig … das schaurige, alles übertönende grelle Urräää der Russen gellte durch die Büsche und Dickichte … von den Bäumen herab, von allen Seiten peitschten die Schüsse über die Gruppe Schneider hin.
Die MGs begannen zu rattern. Das rrrrr, rrrrr, vom Eismeer bis zum Kaukasus von allen Russen gefürchtet und verflucht, schnurrte durch das Hämmern der Maschinenpistolen und die Schüsse der Gewehre. Der Gefreite Knebel, der seitlich von Major Schneider lag, war der erste, der seine Handgranaten auf einen Busch warf, der sich bewegte. Schmerzensschreie unterbrachen die Schüsse … zwei Partisanen rollten aus ihrem Busch und schlugen mit den Armen um sich. Mit zwei Schüssen erlöste sie Leskau und schwenkte dann sein MG zurück auf den Weg, der sich vor ihm durch den Wald zog.
Igor Pjetonnek Graschin kniete hinter einem Baum und überblickte die Lage. Fedja humpelte auf ihn zu … er hatte einen Querschläger in das linke Bein bekommen, der ihm die halbe Wade wegriß. Er jammerte nicht … er fluchte alle Steppenflüche herunter und hockte sich mit verzerrtem Gesicht neben Graschin.
»Wir haben sie nicht überrascht, Brüderchen.«
»Ich sehe es, Schafskopf.« Igor spähte zu dem schweren Wagen hinüber, hinter dessen Panzerung Strakuweit saß. »Sie haben einen amerikanischen Raupenwagen. Das hat uns die Hure nicht gesagt! Ich werde sie dafür aufhängen!«
»Was ist?« schrie Igor Graschin in der Feuerlinie.
»Sie haben MGs 42!« stöhnte ein Bauer. Er lag auf der Seite und verband sich einen Armschuß. »Sie halten uns nieder, Genosse!«
»Weil ihr Feiglinge seid! Erbärmliche Idioten! Stürmt auf sie zu … schreit ihren Mut aus ihren Leibern … fallt über sie her … und wenn hundert von uns fallen … denkt an Genossen Stalin und den Sieg der Roten Armee! Auf, ihr feigen Hunde! Urräää!«
Sein Schrei pflanzte sich fort. Er riß die Partisanen empor, er trieb sie in das Feuer der ratternden MGs 42, in das Explodieren der Handgranaten, in das Ballern des Granatwerfers und das Peitschen der Gewehrschüsse. Es trieb sie darüber hinaus, blind, wild, fanatisiert, irr … Grölende Gestalten mit aufgerissenen Mündern, flackernden Augen …
Major Schneider hob die Hand. Es war ein Ruck, aber dieser Ruck fuhr durch die Gruppe wie ein Schlag. Er bedeutete das Ende, das Abschlachten von Mensch zu Mensch.
Nahkampf …
Vor Leskau tauchte ein breites, verzerrtes Gesicht auf. Der Schrei dieses Gesichtes traf ihn wie ein Orkan. Urräää … und in dieses Urräää hinein stach er mit dem Bajonett, sah die Augen aufreißen, sah einen Sturzbach Blut in den aufgerissenen Mund strömen … Ein neues Gesicht, überall Gesichter … überall die schrecklichen Höhlen, aus denen das Urräää ihm entgegenschrie … er hieb um sich, er schoß blindlings mit seiner 08 in diese Münder hinein und rannte dann zurück zu dem Wagen, hinter dem sich Leutnant Vogel, Kunze, Strakuweit und Stabsarzt Dr. Wensky verschanzt hatten und mit gezielten Schüssen die durchgebrochenen Partisanen empfingen.
Vom Wald her keuchte Major Schneider. Er rannte gebückt dem Wagen
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