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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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überhaupt schoß und Patronen transportieren konnte.
    Igor setzte sich neben Fedja und drehte sich eine Papyrossi.
    »Die Deutschen räumen Orscha.«
    »Woher weißt du?«
    »Funkspruch von Genosse General Jamsjonny. Wir bleiben noch drei Tage und müssen dann zur Truppe zurück. Unsere Aufgabe ist erfüllt.«
    »Nawoß!« sagte Fedja laut. (Mist.) »Und die Deutschen, die noch in den Wäldern sind?«
    »Die werden eines Tages verhungern oder – wenn sie aus dem Wald herauskommen – einzeln wie streunende Hunde erschlagen werden. Sie werden nie mehr zurückkommen.«
    Fedja stellte seine Maschinenpistole zur Seite an die Wand der Hütte und blickte hinüber zum Waldrand. Zwei der ausgestellten Posten kamen ins Dorf zurück und führten in ihrer Mitte ein Mädchen.
    »Sieh mal, was da kommt, Genosse«, sagte Fedja verblüfft.
    Igor fuhr herum. »Ein Mädchen!«
    »Nicht aus unserer Gegend. Ich kenne sie alle.«
    Leutnant Graschin erhob sich und ging der kleinen Gruppe entgegen. Er war ein großer, schlanker Mann in der erdbraunen Uniform der Rotarmisten. Zwei Ordensbänder zierten seine Brust. Vor dem Mädchen blieb er ruckartig stehen und lächelte schwach, als die beiden Bauern stramme Haltung annahmen und meldeten:
    »Genosse Leutnant! Haben sie im Wald gefangen. Sie umschlich das Dorf. Hat gekratzt und gebissen, das Aas.«
    Igor betrachtete das Mädchen. Es hatte den Kopf gesenkt und blickte zu Boden. Ihre starken Brüste drückten sich durch die geflickte Bluse, der Rock klebte an ihrem Körper und zeichnete ihn ab.
    »Wer bist du?« fragte Igor. Dabei schlug er mit der flachen Hand unter ihr Kinn. Der Kopf flog empor. Haßerfüllte Augen blitzten ihn an.
    »Tamara Turjetza.«
    »Woher?«
    »Aus dem Schoß meiner Mutter.«
    Igor schloß die Augen zu einem Spalt. Dann schlug er wieder zu und riß Tamara, die von diesem Schlag auf die Erde stürzte, wieder empor.
    »Ich schlage dich tot, du geiles Luder, wenn du keine Antwort gibst! Warum schleichst du um das Dorf? Was wolltest du wissen? Warum kommst du nicht wie jede Genossin frei zu uns? Was spionierst du? Rede!«
    Igor tastete sie mit seinen Blicken ab. Welch ein Körper, dachte er. Der Körper einer Venus mit dem Kopf einer Bauernmagd. Ein starkes männliches Gefühl durchrann ihn wie Feuer. Er biß sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. Plötzlich zuckte sein Kopf empor.
    »Was ist das?« schrie er. Er zeigte auf die Beine Tamaras. Aus den alten Schuhen ragten die Ränder deutscher Wehrmachtssocken heraus. Kunze hatte sie ihr gegeben, als er Tamara zum erstenmal sah. Damals ging sie mit nackten Füßen durch den Staub von Dubrassna, was Kunze als eine Entweihung so schöner Beine ansah. Igor riß Tamara zu sich heran.
    »Woher die Strümpfe?«
    »Gefunden, Genosse«, sagte Tamara leise.
    »Und die Schuhe?«
    »Auch …«
    Fedja, der hinter Tamara getreten war, tastete sie ab und zog mit einem breiten Grinsen eine flache runde Schachtel aus der Tasche ihres Rockes. Es war eine Packung Schoka-Cola aus der Verpflegung der 5. Kompanie. Kunze hatte sich zehn Packungen zur Seite getan, als eiserne Reserve, wie er sagte.
    »Auch gefunden?« sagte Igor leise. Tamara schwieg. In ihren Augen stand helle Angst.
    »Mitkommen, Genossin«, sagte Igor hart. Er winkte und ging voraus. Die beiden Bauern und Fedja führten Tamara ihm nach bis zu der Hütte, vor der Fedja seine Pistole putzte. Igor trat zur Seite und zeigte hinein. »Geh!« sagte er. Langsam trat Tamara in die runde, dunkle Hütte. Sie stellte sich mit dem Rücken gegen die Wand und starrte auf die hohe Gestalt Igors, der ihr folgte und die Zeltplane, die als Tür diente, fallen ließ. Sie waren allein. Tamara kreuzte die Arme über ihre Brust und öffnete den Mund, als wolle sie zubeißen, als Igor an sie herantrat. Wie eine umstellte Wölfin sah sie aus, wild, blutgierig, kämpfend. Igor lächelte breit.
    »Du bist bei den Deutschen«, sagte er leise. Tamara spürte das Gefährliche, das von ihm ausging, und schüttelte wild den Kopf.
    »Njet!«
    »Du solltest spionieren, was wir tun! Ich weiß es! Ich sehe es an deinen Augen, Tamaraschka.« Sie zuckte bei diesem Kosenamen zusammen und drückte sich fester an die Rückwand der Hütte. »Du bist eine Russin, Ljubimez … du bist eine Genossin des großen Stalin und der glorreichen Roten Armee! Du bist ein Kind unseres Mütterchens Rußland … und du verrätst sie wegen einer Nacht mit einem deutschen Schwein!« Er stand dicht vor ihr und schlug ihr

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