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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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jeder Gelegenheit das Hemd vom Leib reißen, und seine Frau wird ihren BH verbrennen … und Millionen junger Leute werden für ihn und gegen Nixon stimmen.
    Aber tun sie das auch wirklich? Es gibt noch eine andere Taktik, und das ist diejenige, auf die wir in Aspen zufällig gestoßen sind. Warum nicht dem Establishment einen Kandidaten vor die Nase knallen, von dem sie noch nie etwas gehört haben? Einen, der nicht von Beratern und Hintermännern zurechtgestutzt und auf Erfolgskurs getrimmt wurde. Einen, dessen Lebensstil so schräg ist, dass er gar nicht auf die Idee käme, sich an irgendjemanden »anzunähern«.
    Mit anderen Worten, warum nicht einen ehrlichen, eindeutigen Freak auf die Wähler loslassen, der die »normalen« Kandidaten des Establishments auf ihrem eigenen Terrain als die wertlosen Nieten enttarnt, die sie immer schon waren? Warum vor den Dreckschweinen in die Knie gehen? Warum ihnen Intelligenz unterstellen? Warum daran zweifeln, dass ihnen der ganze Laden um die Ohren fliegt, wenn man nur mal kräftig pustet. (Als die Japse erstmals bei einem olympischen Volleyballturnier angetreten sind, haben sie ihre größeren Gegner mit einer Reihe von bizarren, aber regelkonformen Techniken wie der »Japs-Rolle«, der »Schlitzaugenpyramide« und dem »Blitz-Bauch-Pass« zur Weißglut getrieben und an die Wand gespielt.)
    Und daher stellt sich die »Aspen-Technik«, wie sie von manchen Leuten genannt wird, folgendermaßen dar: Weder Rückzug aus dem System noch Anpassung daran … sondern den Bluff durchschauen und die Stabilität des Systems nutzen, um es auszumanövrieren … und dies, indem man sich immer vor Augen hält, dass die Leute an der Macht nicht schlau oder klug sind. Am Ende der Edwards-Kampagne war selbst ich, der ich ein Leben lang das Gegenteil geglaubt hatte, davon überzeugt, dass wir das Gesetz auf unserer Seite hatten. Nicht die Polizei, die Richter oder die Politiker – sondern das Gesetz selbst, so wie es in den modrigen Büchern gedruckt stand, die wir andauernd wälzen mussten, weil wir keine andere Wahl hatten.
    Gegen Mittag des Wahltags lautete die alles entscheidende Frage: Wie viele von den Liberalen sind im Boot geblieben? Ein paar von ihnen hatten sich uns angeschlossen, aber diese wenigen waren nicht genug, um die fragile Machtbasis zu komplettieren, auf die wir von Anfang an gesetzt hatten. Unsere ursprüngliche Idee war es gewesen, eine einmalige Koalition zusammenzubringen und das lokale Geld/Politik-Establishment zu demoralisieren, indem man die Bürgermeisterwahl gewinnt, bevor der Gegner überhaupt kapiert, was los ist. Die Liberalen von Aspen sind eine Minderheit, die trotz ihrer permanenten Anstrengungen noch nie irgendwas gewonnen hat … und Aspens legendärer »Underground« ist eine weit größere Minderheit, die noch nie versucht hat, irgendwas zu gewinnen.
    Daher war Macht unser erstes Anliegen. Unser Wahlprogramm – beziehungsweise die öffentliche Version davon – war mit Absicht so vage gehalten, dass es nur ein flexibles Hilfsmittel darstellte, um die Liberalen anzuziehen und unsere Koalition bei der Stange zu halten. Auf der anderen Seite konnten nicht einmal die Handvoll Leute im Machtzentrum von Edwards’ Kampagne dafür garantieren, dass er tatsächlich die Straßen mit Gras bepflanzen und den Sheriff aus dem Amt jagen würde, sobald er gewählt war. Der Kerl war schließlich Anwalt – ein übles Ge werbe, bestenfalls –, und ich denke, wir alle waren uns, auch wenn niemand es je offen sagte, darüber im Klaren, dass wir nicht die geringste Ahnung hatten, was der Arsch anstellen würde, wenn er gewählt wurde. Es konnte gut sein, dass er sich in ein bösartiges Ungeheuer verwandelte und uns alle zur Beruhigung erst einmal in den Knast sperren ließ.
    Keiner von uns kannte Joe Edwards. Wochenlang hatten wir Scherze gemacht über unseren »Phantomkandidaten«, der von Zeit zu Zeit auftauchte und darauf bestand, dass er die hilflose Marionette einer politischen Maschinerie war, die eines Samstags um Mitternacht sein Telefon hatte klingeln lassen und ihm eröffnete, dass er für das Amt des Bürgermeisters zu kandidieren hatte.
    Was mehr oder weniger stimmte. Ich hatte ihn wutentbrannt angerufen, voller Schnaps und Ärger über ein Gerücht, dass ein Klüngel lokaler Strippenzieher sich getroffen und entschieden hatte, wer der nächste Bürgermeister von Aspen werden sollte: eine klapprige alte Dame sollte ohne Mitbewerber als Kandidatin einer

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